Seit zwei Monaten ist die A8 bei Leonberg ein Unfallbrennpunkt und eine Staufalle – wegen der Großbaustelle für einen neuen Fahrbahnbelag. Die jüngste Karambolage mit drei Verletzten und Millionenschaden stürzte den Verkehr ins Chaos.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Leonberg/Stuttgart - Autoinsassen sitzen mitten auf der Autobahn, suchen im Schatten von Lastwagen Schutz vor Sonne und Hitze, während das Rote Kreuz Wasserflaschen verteilt. Weiter vorne stehen demolierte Lastwagen quer, Helfer von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk räumen verstreute Knochensteine vom heißen Asphalt. Nichts geht mehr auf der A 8 bei Leonberg Richtung Karlsruhe – nach einem Auffahrunfall mit vier Lastwagen und einem Pkw.

 

Die Bilanz der Polizei: Ein Schwer- und zwei Leichtverletzte, Millionenschaden und ein Verkehrsinfarkt auf beiden Autobahnen und umliegenden Ausweichstrecken. Allein auf der A 8 stauen sich die Kolonnen auf 15 Kilometer – bis nach Stuttgart-Möhringen. Erschwerend kam hinzu, dass gegen 15 Uhr im Stadtgebiet von Stuttgart auch noch etliche Ampeln ausfielen.

Die Polizei vermutet Unaufmerksamkeit als Unfallursache. Am Dienstag gegen 10.40 Uhr hatte sich in Fahrtrichtung Karlsruhe wieder einmal der tägliche Stau gebildet. Drei Lastwagenfahrer, dazwischen ein Mazda-Fahrer aus dem Kreis Ludwigsburg, hielten auf der rechten Fahrspur an. „Der hinterste Lkw-Fahrer hat die Situation offenbar zu spät erkannt“, sagt Polizeisprecher Peter Widenhorn.

Autoinsassen haben noch Glück im Unglück

Der 51-jährige Lkw-Fahrer aus dem Raum Pforzheim, der eine tonnenschwere Ladung aus Verbundsteinen transportiert, prallt mit voller Wucht auf einen Sattelzug mit Kartoffel-Ladung. Das Führerhaus des Pforzheimers wird beim Aufprall so stark demoliert, dass der 51-Jährige eingeklemmt wird und von der Feuerwehr befreit werden muss. Er wird mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen.

Für eine größere Ansicht auf die Karte klicken

Die Insassen des Mazda werden wie durch ein Wunder nur leicht verletzt – obwohl der Pkw wie ein Sandwich zwischen zwei Lastwagen gerät. Doch das Auto übersteht die Kollision mit relativ geringen Blechschäden. Für Tausende Autofahrer bricht im Anschluss jedoch das Chaos aus. Die A 8 nach Karlsruhe ist bis in den späten Nachmittag blockiert. 15 Kilometer Stau auf der A 8 bis zurück nach Möhringen. Elf Kilometer auf der A 81 bis Zuffenhausen. Von Böblingen zum Kreuz Stuttgart: sieben Kilometer.

In Stuttgart streikten auch noch Ampeln

Dabei war nicht nur der Großraum Leonberg, sondern auch Stuttgart betroffen. Im Stadtgebiet herrschte auch deshalb Chaos, weil gegen 15 Uhr etliche Ampeln ausgefallen waren. Es war keine bestimmte Strecke betroffen, sagte ein Polizeisprecher, es verteilte sich über die ganze Stadt. Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, den Verkehr an den Hauptverkehrskreuzungen zu regeln. Die genaue Ursache war bis zum Abend noch nicht bekannt. Die Polizei sprach von einem „technischen Defekt“. Erst nach und nach konnten die Ampeln wieder in Gang gesetzt werden.

Wer etwa den Stau weiträumig über die B 27 nach Degerloch umfahren wollte, landete im nächsten. Die Karl-Kloß-Straße war durch einen Unfall mit zwei Schwerverletzten und 80 000 Euro Schaden blockiert. Auch am Abend ging auf der B 27 zwischen Echterdinger Ei und Degerloch nur wenig.

Der Fluch der Baustelle. Seit diese Anfang Mai auf der A 8 bei Leonberg eingerichtet wurde, kracht es am laufenden Band, bilden sich regelmäßig lange Staukolonnen. Auf dem Abschnitt zwischen dem Dreieck Leonberg und der Anschlussstelle Rutesheim hat die Polizei seit dem 9. Mai 84 Unfälle gezählt. Auffahrunfälle, Streifkollisionen, unaufmerksame Fahrstreifenwechsel. Noch bis Herbst soll die Fahrbahn zwischen Leonberg und Heimsheim erneuert werden, der Bund investiert dafür 13 Millionen Euro. Täglich sind dort 85 000 Fahrzeuge unterwegs.

Der ADAC erwartet „Stresstest“ zum Ferienanfang

Anfangs hatte der ADAC Württemberg mangelhafte und missverständliche Beschilderungen kritisiert. „Inzwischen hat man sehr viel nachgebessert“, sagt ADAC-Sprecher Reimund Elbe. Die Verkehrslawine gerät dennoch täglich ins Stocken. Schon 2015 gehörte die Anschlussstelle Leonberg-Ost mit 1124 Staus und 715 Staustunden zu den Nadelöhren im Land. „Dieser Wert wird 2016 wohl bei weitem übertroffen werden“, prognostiziert Elbe. Sogar bundesweit „wohl in den ersten Rängen“. Ohne Verkehrsbeeinflussungsanlagen wäre alles noch schlimmer.

Dabei, sagt ADAC-Mann Elbe, sei das Schlimmste am Dreieck Leonberg noch nicht überstanden: „Der Stresstest steht erst noch bevor.“ Am 28. Juli ist Beginn der Sommerferien in Baden-Württemberg.