Zum Hergang des Unglücks am Bahnhof in Esslingen, bei dem ein 22-Jähriger von einem Zug erfasst und schwerst verletzt wurde, gibt es unterschiedliche Zeugenaussagen.

Esslingen - Die Ermittlungen der Bundespolizei zu den Hintergründen eines Unfalls am Hauptbahnhof Esslingen, bei dem am Dienstagabend ein 22-Jähriger schwerste Verletzungen erlitten hat, laufen auf Hochtouren. Der junge Mann war gegen 18.45 Uhr beim Überqueren der Gleise 6 und 7 von einem einfahrenden Zug erfasst und schwerst verletzt worden, wie die Bundespolizei mitteilt. Zunächst gingen die Ermittler aufgrund von Zeugenaussagen davon aus, der 22-Jährige sei über einen Gleisstrang gestolpert und vor die Bahn gefallen. „Es gibt aber auch Meldungen, die auf einen Suizidversuch schließen lassen“, sagt Daniel Kroh, der Pressesprecher der Bundespolizei in Stuttgart.

 

Unfallopfer kann zurzeit nicht befragt werden

So hätten Zeugen berichtet, der 22-Jährige sei absichtlich vor die Regionalbahn gesprungen. Die weiteren Ermittlungen zielten in beide Richtungen, so Kroh. Das Unfallopfer, das die Nacht in einer Klinik überlebt habe, könne zurzeit nicht befragt werden. Ein Fremdverschulden sei zum derzeitigen Stand der Unfalluntersuchungen allerdings auszuschließen. Die bisherigen Ermittlungen hätten ergeben, dass der Mann nicht vor die Bahn gestoßen oder von Verfolgern getrieben worden sei. Ob er unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen gestanden habe, sei noch ungeklärt.

Der unter dem ersten Waggon der Regionalbahn liegende 22-Jährige wurde von der Feuerwehr Esslingen mit einem speziellen Rettungsgerät geborgen und mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen. Der Bahnhof war während der Bergung und der Unfallaufnahme bis 20.05 Uhr komplett gesperrt, was zu Behinderungen im Bahnverkehr geführt hat.

„Nicht alltäglich, aber auch keine Besonderheit“

Dass es beim unerlaubten Überqueren von Gleisen zu Unfällen kommt, sei „nicht alltäglich, aber auch keine Besonderheit“, sagt der Bundespolizeisprecher Daniel Kroh. Zuletzt war eine 22-Jährige in der Nacht zum 17. April am Bahnhof in Ditzingen (Kreis Ludwigsburg) von einem Güterzug erfasst und tödlich verletzt worden. Die Polizei geht in diesem Fall davon aus, dass die junge Frau über die Gleise ging, um ihren Weg abzukürzen. Im April vergangenen Jahres war ein 50-Jähriger in der Nähe des Bahnhofs in Bad Cannstatt von einer Bahn überfahren worden und dabei zu Tode gekommen. Er war zuvor mit Kollegen auf dem Stuttgarter Frühlingsfest gewesen.

Gerade beim Frühlingsfest oder Cannstatter Volksfest komme es häufig zu Vorfällen, bei denen Besucher über die Gleise gingen, sagt Daniel Kroh. „Die Bahnsteige sind überfüllt, und manch einer rennt los, um noch seinen Zug zu bekommen.“ Es gebe auch alkoholisierte Zeitgenossen, die dann entlang der Gleise oder gar im Gleisbett nach Hause gingen. Die Bundespolizei werde nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, in welche Lebensgefahr man sich dabei begebe, sagt Kroh.

Elektrisch betriebene Züge sind sehr leise

Mit Strom betriebene Züge seien sehr leise, man höre sie erst sehr spät – „oft zu spät“, wie der Polizeisprecher anfügt. Denn ein solcher Zug sei selbst bei einer Geschwindigkeit von mehr als 200 Stundenkilometern für das menschliche Ohr erst wahrnehmbar, wenn er bereits vorbeifahre. Verschärfend wirke sich zudem aus, wenn die Personen, die sträflicherweise über die Gleise liefen, über Ohrhörer Musik konsumierten oder auf ihr Smartphone schauten. Vielen Menschen sei außerdem nicht klar, dass von vorbei- oder ausfahrenden Zügen eine nicht zu unterschätzende Sogwirkung ausgehe. Deshalb zeige die weiße Linie auf Bahnsteigen den auf jeden Fall einzuhaltenden Sicherheitsabstand an.

Was vielen Personen, die ihre Wege über die Gleise abkürzten, nicht bekannt sei, ist die Tatsache, dass auch Züge – Sonder- oder Güterzüge – außerhalb des Fahrplans unterwegs sein können, sagt Daniel Kroh. Sich in diesem Fall am Fahrplan zu orientieren sei ebenfalls lebensgefährlich.

Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 und unter https://ts-im-internet.de/ erreichbar. Eine Liste mit Hilfsangeboten findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: https://www.suizidprophylaxe.de/