Warum Fußgänger sollten jetzt noch achtsamer unterwegs sein sollten: Im dunklen Monat November steigt das Risiko um das Dreifache.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Es sind nur ein paar Schritte. Als der Jogger nach links blickt, sieht er eine Kolonne von Autos, die auf der Rechtsabbiegerspur warten und offenbar nicht an ihm vorbeifahren können. Die Fußgängerampel vor ihm steht zwar auf Rot – doch wenn die Autos ohnehin nicht fahren können . . .? Der 29-Jährige läuft also los – und tritt auf die Fußgängerfurt der Straße Am Kräherwald. Doch plötzlich quietschen Reifen. Von links saust ein Auto auf der Geradeausspur heran. Der Jogger hat es offenbar nicht gesehen.

 

Bei dem Unfall, der sich am Sonntag gegen 20 Uhr im Bereich Kräherwald auf Höhe der Gaußstraße im Stuttgarter Westen abspielt, wird der 29-jährige Jogger lebensgefährlich verletzt. Ein Notarzt und der Rettungsdienst versorgen ihn an der Unfallstelle und bringen ihn in eine Klinik. Seinen Zustand bezeichnet die Polizei als ernst.

Ein fataler Irrtum

Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei hatte eine 53-jährige Autofahrerin keine Chance, den Fußgänger, der aus ihrer Sicht von rechts kam, rechtzeitig zu erkennen. „Die Rechtsabbiegerkolonne hat die Sicht auf den Fußgänger verdeckt“, sagt Polizeisprecherin Monika Ackermann. Die Frau war mit ihrem Volvo auf der Kräherwaldstraße in Richtung Killesberg unterwegs. Als der Jogger ihr vor den Wagen lief, konnte sie nicht mehr rechtzeitig anhalten.

Im November sind Fußgänger gefährdeter denn je. Die Dunkelheit setzt früher ein, und Passanten sind für Autofahrer noch schlechter zu erkennen. Wer da noch unachtsam über die Straße rennt, erhöht das Unfallrisiko erheblich. „Es ist ein fataler Irrtum, wenn man glaubt, dass der Autofahrer, den man selbst ganz gut sieht, einen Fußgänger bei Dämmerung und Dunkelheit ebenfalls eindeutig erkennt“, sagt Polizeisprecherin Ackermann. Noch dazu, wenn der Fußgänger auch noch dunkel gekleidet ist.

Der zweite Unfall auf der Strecke

Erst zwei Wochen zuvor hatte es in der Kräherwaldstraße einen schweren Fußgängerunfall gegeben. Ein 64-Jähriger wollte gegen 18 Uhr auf Höhe der Zeppelinstraße einen Bus auf der gegenüberliegenden Straßenseite erreichen – und rannte vor den VW Golf eines 73-Jährigen. Der konnte nicht mehr bremsen. Der dunkel gekleidete Passant musste schwer verletzt vom Notarzt versorgt werden.

Dass im aktuellen Fall der Jogger womöglich eine rote Ampel nicht beachtet hat, ist ein Problem, dass sich wie ein roter Faden durch die Unfallbilanzen zieht. Bei jedem elften der 251 Fußgängerunfälle in Stuttgart im vergangenen Jahr hatte der Fußgänger das Rotlicht missachtet. „Dieser Trend scheint auch für 2019 gültig zu sein“, sagt Polizeisprecherin Ackermann. In 39 Prozent aller Unfälle hat der Fußgänger selbst den Unfall verursacht – durch Nichtbeachten des Fahrzeugverkehrs, Missachtung des Rotlichts oder Hervortreten hinter Hindernissen.

Wie gut beachten Fußgänger Regeln?

Die Bereitschaft, sich als Fußgänger regelkonform zu verhalten, sei oftmals nicht sehr ausgeprägt, stellt die Stuttgarter Polizei immer wieder fest. Angesichts eines drohenden Verwarnungsgeldes von nur fünf Euro bei Nichtbeachten einer roten Ampel sei das auch kein Wunder, heißt es.

Dabei sind Fußgänger die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Und das gerade im dunklen Monat November. Laut Verkehrssicherheitsrat steigt das Unfallrisiko jetzt um das Dreifache. „Deshalb sollte man stets defensiv unterwegs sein“, sagt Polizeisprecherin Ackermann, „selbst wenn die Fußgängerampel Grün zeigt.“