Während Luxemburg den EU-Ausschluss Ungarns fordert, zeigt sich Budapest kaum beeindruckt. Vor dem Referendum über die EU-Flüchtlingsquoten verstärkt die Regierung das propagandistische Trommelfeuer gegen die Immigranten – bisher mit begrenzten Erfolg.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Budapest - Kollegiale Wertschätzung sieht anders aus. Verstimmt hat Ungarns Außenminister Peter Szijjarto am Dienstag auf die Forderung seines Luxemburger Amtskollegen Jean Asselborn reagiert, Ungarn wegen seiner massiven Verstöße gegen die Grundwerte vorübergehend oder generell aus der EU auszuschließen. Europas dienstältester Chefdiplomat sei „arrogant, herablassend, frustriert“ und eine „unseriöse Figur“, schäumte Szijjarto. Asselborn sei ein „Nihilist“, der unablässig daran arbeite, „Europas Sicherheit und Kultur zu zerstören“: „Er will Ungarn aus der EU ausschließen, aber hat sich selbst aus dem Kreis der Politiker ausgeschlossen, die ernst genommen werden können.“  

 

Referendum für 2. Oktober geplant

Mitten im Stimmenstreit hat Ungarns nationalpopulistische Regierung die herbe Schelte des Luxemburger Außenministers an ihrer rigiden Flüchtlingspolitik ereilt. Beeinflussen lässt sich Premier Viktor Orban aber nicht. Im Gegenteil: Vor dem Referendum über die von Ungarn abgelehnten EU-Flüchtlingsquoten am 2. Oktober verschärft Budapest das propagandistische Trommelfeuer gegen die Immigranten.   „Wollen Sie zulassen, dass die EU bestimmen darf, dass nicht-ungarische Bürger in Ungarn ohne Zustimmung des Parlaments angesiedelt werden?“ lautet die zur Schicksalsfrage erklärte Referendumsfrage. Mit der „Massenmigration“ sei der „Terror in Europa eingezogen“, so die Dauerbotschaft von Orban an seine Landsleute. Ungarn habe „kein Herz aus Stein“, aber jeder einzelne Migrant stelle ein „Sicherheitsrisiko“ dar. Sein Land stehe vor einem „Kampf um Leben und Tod“: „Europa muss aufwachen. Mit dem Referendum wollen wir die Entscheidung der EU-Kommission wieder rückgängig machen.“

Viele Millionen Euro für den Stimmenstreit

Doch weniger außenpolitischen als innenpolitischen Gründen scheint der Volksentscheid zu dienen, der juristisch keine Konsequenzen hat: Die schwache Opposition wirft Orban vor, nur von den eigentlichen Problemen des Landes ablenken zu wollen. Wer das Referendum boykottiere, sei „schwachherzig und unfähig“, so Orbans Kabinettschef Janos Lazar: Bis zur Abstimmung werde die Regierung ihre „Informationskampagne“ verstärken und den „Einwanderungsnotstand“ verlängern.   Tatsächlich sind die zunächst bewilligten 3,1 Milliarden Forint (11,61 Millionen Euro) für das seit Wochen währende Propaganda-Trommelfeuer gegen die missliebigen Flüchtlinge bereits aufgebraucht – und die Regierung hat weitere 2,56 Millionen Euro für den Stimmenstreit bereitgestellt.

Die Ungarn sind noch nicht elektrisiert

Obwohl die Mehrheit der Ungarn die rigide Flüchtlingspolitik der Regierung unterstützt, scheint sich vielen der Sinn des von Budapest inszenierten Referendumsspektakels nur bedingt zu erschließen. Bei einer Ende August durchgeführten Umfrage des Zavech-Instituts erklärten zwar 53 Prozent der Befragten, an dem Volksentscheid teilnehmen zu wollen, doch nur 41 Prozent waren sich dessen sicher.   Doch Budapest erhofft sich ein klares Referendumssignal – und verstärkt darum noch einmal die düsteren Propaganda-Bemühungen. „Hätten Sie’s gewusst?“ fragen die im ganzen Land gekleisterten Plakate: „Es waren Einwanderer, die die Anschläge von Paris begingen.“

Die nicht nur rhetorische Hatz auf die wenigen noch durch den Stacheldraht gelangenden Transitflüchtlinge wird mit der Ankündigung des Baus eines weiteren Zauns zu Serbien und der Anstellung von 3000 zusätzlichen „Grenzjägern“ flankiert. Dem „Amoklauf“ Brüssels müsse ein Ende gesetzt worden, so Orban in einem an alle Auslandsungarn versandten Schreiben: „Die Zukunft unserer Kinder, unserer Kultur und unserer Sicherheit ist in Gefahr.“