Generalkonsul Tamas Mydlo verfolgte die umstrittene Ungarn-Debatte im Landtag mit unbewegter Miene. Um die Demokratie sei es in Ungarn bestens bestellt, hieß es in einem dort zitierten Gutachten von Rechtsexperte Rupert Scholz. Dieses erstattete er freilich im Auftrag von Budapest.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der aus München angereiste ungarische Generalkonsul ließ sich nichts anmerken. Mit unbewegter Miene verfolgte Tamas Mydlo auf der Besuchertribüne des Landtags die Debatte über sein Heimatland. Teils mehr, teils weniger deutlich artikulierten die Redner aller Fraktionen und der Regierung ihre Sorge über die Verfassungsänderungen, mit denen die Regierung in Budapest die Demokratie einschränken wolle. An einer Stelle aber konnte Mydlo richtig zufrieden sein.

 

Da nämlich zitierte der frühere Europaminister Wolfgang Reinhart (CDU) aus einem Gutachten des Verfassungsrechtlers und einstigen Bundesverteidigungsministers Rupert Scholz (CDU), wonach die Bedenken völlig unbegründet seien. Mit dem europäischen Recht, so dessen Befund, seien die Beschlüsse „in vollem Umfang vereinbar“. „Den kennen wir“, rief der SPD-Abgeordneten Martin Rivoir höhnisch dazwischen– eine Anspielung auf Scholz’ fragwürdige Rolle 2010 beim EnBW-Deal , als er den Verfassungsbruch durch Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) abgesegnet hatte. Reinhart hielt ihm entgegen, der Professor sei „noch immer ein anerkannter Kommentator“.

Auftrag für Rupert Scholz klar dementiert

Das Gutachten hatte tags zuvor der ungarische Botschafter Josef Czukor übersandt, zusammen mit seiner Protestnote an den Landtagspräsidenten. Darin brachte er seine „Überraschung und Sorge“ zum Ausdruck, dass sich das Parlament mit der Debatte in die „inneren Prozesse“ seines Landes einmische – und das auch noch ohne die nötigen Informationen. Scholz’ beigefügte Studie zeige, wie die beanstandeten Verfassungsänderungen „aus deutscher Sicht“ zu bewerten seien. Nach der Debatte gab sich der Generalkonsul gegenüber Journalisten diplomatisch-vage. Er sprach von „Missverständnissen“, die es auszuräumen gelte, zeigte sich offen für Kritik und signalisierte, etwaige problematische Regelungen werde man „selbstverständlich modifizieren“.

In einem Punkt aber war Mydlos Auskunft eindeutig. Ob Scholz’ sein Gutachten im Auftrag Ungarns erstellt habe? „Nein, nein“, wehrte er ab, er sei von sich aus, „ohne Auftrag“, tätig geworden. Für Juristen sei eine neue Verfassung einfach reizvoll, und der Professor habe zudem eine persönliche Beziehung zu Ungarn. Gemeint war offenbar der ungarische Patenonkel, mit dem Scholz sein besonderes Interesse an dem Land einmal begründet hatte.

Gutachter bestätigt „Auftrag des Staates Ungarn“

Ein deutscher Verfassungsexperte verteidigt die Regierung von Ministerpräsident Victor Orban aus eigener Initiative – das hätte eine andere Qualität, als wenn es auf Bestellung erfolgt wäre. Doch ein Blick in die (den Journalisten nicht überlassene) Studie vom April 2013 genügte, um die Auskunft des Generalkonsuls zu widerlegen. „Dieses Gutachten wird im Auftrag des Staates Ungarn, vertreten durch den ungarischen Botschafter …, erstattet“, stand bereits auf der dritten Seite. Schwer vorstellbar, dass der Diplomat das nicht wusste.

Die Auftraggeber konnten mit dem 28-seitigen Papier jedenfalls hoch zufrieden sein. Scholz stellte ihnen geradezu einen Persilschein aus: Kritik und Misstrauen habe Orban nicht verdient, sie seien „im Wesentlichen unbegründet“. Ungarn habe vielmehr eine „in jeder Hinsicht vorbildliche demokratische und rechtsstaatliche Gesamtordnung“. Wer anderes behaupte, habe sich nicht mit den Fakten befasst. Noch deutlicher war der Professor zuvor in Interviews geworden: „Ohne sich ein eigenes Bild zu verschaffen“, hätten westeuropäische Linke „die ... Kritikpunkte der ungarischen Opposition blind übernommen“. Sonst hätten sie gemerkt, dass die Vorwürfe „größtenteils Unfug“ sind. Sein Urteil über Ungarn, betont Scholz gerne, ergebe sich „mit aller Klarheit“.

Blamable Rolle als Anwalt beim EnBW-Deal

Ähnlich frei von Selbstzweifeln hatte er argumentiert, als er für die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz die Ausschaltung des Landtags durch Mappus rechtfertigte. Die Voraussetzungen für die Anwendung einer Klausel für Notlagen seien beim EnBW-Deal „sehr klar gegeben“ gewesen, es habe „Staatsinteresse von höchster Relevanz“ bestanden. „Wenn man klare Erkenntnisse hat, … kann man sich auch kurz fassen“, rechtfertigte er sein dünnes Papier. Nach dem Urteil des Staatsgerichtshof, das einen klaren Verfassungsbruch feststellte, war von Scholz nichts mehr zu hören.

In der Ungarn-Debatte im Plenum wurde seine Studie denn auch nur von am Rande von seinem Parteifreund Reinhart erwähnt. Dessen Nachfolger als Europaminister, Peter Friedrich (SPD), ließ sich davon nicht beirren. Die von Orban geplanten Eingriffe in Justiz, Pressefreiheit und Grundrechte seien nicht hinnehmbar, urteilte Friedrich im Einklang mit den meisten Rednern. Es bleibe „höchst bedenklich“, wenn sich eine Regierung mit Zweidrittelmehrheit „die Verfassung auf den eigenen politischen Leib schneidert“.