Die CSU verbündet sich noch enger als bisher mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orbán. Dieser, kritisiert für seine Auffassung von Demokratie, stellt sich gar als Retter des Volkswillens dar.

Seeon - Sie hätten ja auch Emmanuel Macron einladen können. Seit Monaten wartet der französische Staatspräsident, dass Deutschland reagiert auf seinen Vorstoß zu mehr Gemeinsamkeit, zu mehr Geschlossenheit in der EU und zu einer „europäischen Souveränität“. Es kam: nichts. Den Wahlkämpfern im vergangenen Jahr war das Thema zu heiß, und jetzt fehlt eine Bundesregierung, die Position beziehen könnte. In diese Lücke ist nun die CSU vorgestoßen. Zu ihrer Winterklausur, zum politisch-programmatischen Jahresauftakt also, hat sie den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán eingeladen. Schon das war Statement genug: Mehr Gegensatz zu Macron geht nicht.

 

Alexander Dobrindt, auch einer, der beim Thema Europa leichter zur Bremse als zum Gaspedal findet, sagte es diesen Freitag auch ganz ausdrücklich: „Wir müssen eher die Grenzen der Einigung aufzeigen, als den Weg der ewigen Vertiefung weitergehen.“ Zu den Vereinigten Staaten von Europa, wie SPD-Chef Martin Schulz sie ins Gespräch gebracht hat, sagt Dobrindt „ein klares Nein“. Mehr Zentralismus sei falsch; man solle „endlich“ diese Lehre aus dem Brexit ziehen: „So etwas darf nicht auf andere Staaten übergreifen.“

Seehofer wischt alle Bedenken beiseite

Wenn Dobrindt den Rang der einzelnen Nationalstaaten gegenüber einer europäischen Gemeinschaft betont, dann liegt er von Viktor Orbán nicht allzu weit weg. Nur so, sagt Dobrindt, könne man Europa überhaupt noch zusammenhalten. Orbán seinerseits sagt: „Wir wollen nicht wieder in einem Imperium leben. Für uns ist die EU immer noch die Allianz der freien europäischen Nationen.“ Die Ungarn, fügte Orbán jüngst hinzu, „wollen, dass Europa europäisch bleibt“, während westliche Staaten schon in eine „postnationale und nachchristliche Ära eingetreten“ seien.

Was aufs Neue zeigt, wie weit die Begriffe auseinanderliegen, wenn Emmanuel Macron Europa erst zu Europa machen will und Orbán sagt, Europa müsse europäisch bleiben.

Das Problem ist nur, dass sich die CSU mit Orbán einen Gesinnungspartner einhandelt, der seine ganz eigenen Vorstellungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hat (genauso wie das europa-gegnerische Polen, dessen neuer Regierungschef Mateusz Morawiecki erst diesen Mittwoch auf programmatischer Jungfernfahrt in Budapest war). Aus der CSU-Tagung wird zwar berichtet, es habe durchaus kritische Fragen an Orbán gegeben, doch Parteichef Horst Seehofer wischt alle Bedenken beiseite. Er sagt, Orbán stehe „zweifelsfrei auf rechtsstaatlichem Boden.“

Das Volk werde die nötigen Entscheidungen erzwingen, so Orban

Orbán wiederum stellt sich dar als Retter der Demokratie. Er sagt, mit dem Öffnen der Grenzen für Flüchtlinge hätten „europäische Spitzenpolitiker nicht das gemacht, was vom Volk gewollt wurde“. Deshalb sei „die Migrationsfrage zu einer Demokratieproblematik geworden.“ Und wenn Orbán sagt, auf Rechtswidrigkeit lasse sich kein Recht bauen, dann tut er das ausdrücklich unter dankendem Hinweis auf Horst Seehofer, der auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle von 2015 der Bundeskanzlerin eine „Herrschaft des Unrechts“ angelastet hat.

Tja, sagt Orbán: „Als in Europa noch Chaos und Rechtswidrigkeit gefeiert wurden, haben wir schon unseren Grenzzaun gebaut.“ Und er kündigt an: „2018 wird das Jahr der Wiederherstellung des Volkswillens in der EU.“ Das Volk werde die nötigen „Entscheidungen erzwingen.“

Seehofer wiederum will nun die Beziehungen Bayerns zu Ungarn und dessen Nachbarstaaten vertiefen. Schließlich, sagt er wie in einer letzten Wendung gegen Macron, sei das bayerische Handelsvolumen mit diesen Staaten „größer als das mit Frankreich.“ Seehofer strebt geradezu ein „mitteleuropäisches Bündnis“ an. Und er fügt hinzu: „Ich persönlich werde das organisieren.“