Region: Verena Mayer (ena)

Die Strecke zwischen dem Fundort Neckarelz und dem Wohnort Aglasterhausen misst ungefähr 15 Kilometer und ist von Wäldern gesäumt. Wochenlang durchforsten Hunderte von Menschen die Umgebung. An der Suche beteiligen sich viele Freiwillige. Aglasterhausen ist eine kleine Gemeinde im Odenwald. In den insgesamt vier Teilorten leben weniger als 5000 Einwohner, die in mehr als 30 Vereinen engagiert sind. Hier kennt so gut wie jeder jeden. Das Verbrechen an Christine Piller lässt keinen unberührt. Doch trotz der riesigen Hilfsbereitschaft und trotz der ausgesetzten Belohnung von 10 000 Mark, bringt die Suche keinen Erfolg. Die Mitbürgerin bleibt verschwunden, spurlos.

 

Acht Tage, nachdem Familie Piller ihre Tochter als vermisst gemeldet hat, entdecken Passanten am Straßenrand in der Nähe des Mosbacher Berufsschulzentrums den schwarzen Rock, den Christine Piller am Tag ihres Verschwindens getragen hat. Er bringt die Ermittlungen nicht weiter. Doch er erstickt die letzten Funken Hoffnung. Sieben weitere Wochen später wird aus der unvorstellbaren Vermutung eine schier unerträgliche Gewissheit.

Am Vormittag des 22. März 1986 suchen zwei Männer in einem Waldstück bei Gundelsheim einen Holzlagerplatz. Sie haben einige Festmeter ersteigert und wollen die Ware abholen. Doch bevor sie ihr Holz finden, entdecken sie die Leiche von Christine Piller. Die Obduktion ergibt, dass sie erstochen wurde. Sehr wahrscheinlich an dem Abend, an dem sie verschwand. Mehr gibt die Polizei nicht bekannt. Täterwissen!

Mehrere Hundert Hinweise, aber keine heiße Spur

Gundelsheim ist zehn Kilometer entfernt von Neckarelz und liegt in der entgegengesetzten Richtung von Aglasterhausen. Dort hatten die Fahnder bis dahin nicht gesucht. Wieder rücken Hundertschaften aus und durchkämmen den Wald. Auf jeden der wenigen Anwohner prasseln die gleichen Fragen ein: Haben Sie etwas beobachtet? Ist Ihnen etwas aufgefallen? Haben Sie diese Frau schon mal gesehen? In den Zeitungen erscheinen Fotos des Stoffhundes, der am Innenspiegel klemmte, des Cowboys, der am Schlüsselbund hing, der Stiefeletten, des Gürtels. Vielleicht kennt jemand jemanden, der seit Kurzem solche Gegenstände hat.

Die Polizisten gehen mehreren Hundert Hinweisen nach. Konkreter wird Kriminalhauptkommissar Nohe nicht. Sie könnten ja wieder relevant werden. Doch damals führen sie zu keiner heißen Spur. Im Mai 1986 räumen die 25 Beamten das Gundelsheimer Rathaus, das sie für ihre Ermittlungen in Beschlag nehmen durften. Die Soko Piller wird aufgelöst. „Wir mussten erkennen, dass wir nicht weitermachen konnten“, sagt Thomas Nohe, der heute den Arbeitsbereich Kapitaldelikte im Heilbronner Polizeipräsidium leitet. Dies sei einer der enttäuschendsten Momente dieses Falls gewesen. Bald liegt er 29 Jahre zurück.

Ihre Mutter ahnt sofort, dass etwas Schlimmes passiert sein muss. Ihre Tochter bleibt nicht über Nacht weg, ohne Bescheid zu geben. Doch als Frau Piller am Morgen des 24. Januar in Christines Zimmer schaut, ist es leer. Die Mutter ruft beim Freund ihrer Tochter an. Dort ist sie nicht. Sie wählt die Nummern von Christines Freundinnen. Sie ist bei keiner. Auch ihr Chef im Modehaus in Mosbach weiß nicht, wo Christine sein könnte. Früher zur Arbeit ist sie zumindest nicht gekommen.

Ein unauffälliges Leben

Das Bild, das sich die Polizisten von Christine Piller machen, hat keinen schwarzen Fleck, nicht mal einen Schatten. Christine Piller ist eine fröhliche und freundliche junge Frau, die ein unauffälliges Leben führt. Nach ihrem Hauptschulabschluss absolvierte sie eine Lehre zur Einzelhandelskauffrau. Im Modehaus Sessler fand sie danach eine unbefristete Stelle. Christine Piller ist Mitglied bei der DLRG in Aglasterhausen, sie hat einen jüngeren Bruder und wohnt noch zu Hause bei ihren Eltern. Im folgenden Frühjahr will sie sich mit ihrem Freund verloben, mit dem sie damals seit fast zwei Jahren zusammen ist.

„Das war eine ganz normale und völlig intakte Familie“, sagt Thomas Nohe. Der Kriminalhauptkommissar gehörte zur Sonderkommission, die nach Christine Pillers Verschwinden gegründet wurde. Die Polizisten hörten bei ihren Befragungen kein schlechtes Wort über die junge Frau. Bei ihrer Fahndung stießen sie auf keine unbekannte Seite. Ein Mensch, der so zuverlässig ist und so ordentlich lebt, taucht nicht einfach unter. „Das passte überhaupt nicht“, sagt Nohe, der rasch ahnte, dass die Mutter recht haben würde: Etwas Schlimmes musste passiert sein.

Die Kommissare vernehmen jeden, der Christine Piller kennt: Wann haben Sie die Frau zum letzten Mal gesehen? Wo ist das gewesen? Ist Ihnen etwas an ihr aufgefallen? War sie anders als sonst? Christines Tante sagt aus, sie habe ihre Nichte am Morgen des 23. Januar auf dem Weg zur Arbeit gesehen. Ihr Auto sei ihr entgegengekommen. Und auf dem Beifahrersitz, meint die Tante, saß eine ihr nicht bekannte Person. Eine Spur?

Mickymaus-Aufkleber auf der Heckklappe

Die Polizisten verteilen Plakate und machen Lautsprecherdurchsagen: Gesucht wird die 19 Jahre alte Christine Piller. Sie ist 1,70 Meter groß, schlank, hat lange, braune Haare und trug zuletzt einen schwarzen Rock, Stiefeletten Größe 37, ein schwarzes Polohemd, eine gelbe Strickjacke und einen geflochtenen Ledergürtel. Die Zeitungen drucken das Foto, auf dem Christine Piller unschuldig lächelt. Und sie veröffentlichen ein Bild von ihrem Ford Fiesta, auf dessen Heckklappe ein Mickymaus-Aufkleber pappt. Am Samstag, 25. Januar, erscheint der Fahndungsaufruf in den Medien, am selben Morgen meldet sich ein Zeuge. Er hat das Auto in einem Wohngebiet in Neckarelz gesehen.

Neckarelz, das Örtchen also, wo Christine Piller den Bruder ihres Freundes abholen wollte, aber nie angekommen ist. Der Fiesta steht ungefähr 800 Meter vom damaligen Treffpunkt entfernt, und zwar, wie sich herausstellt, seit jenem Donnerstagabend.

Das kleine Auto ist auf eigentümliche Weise leer und doch nicht leer. Die Polizisten finden auf dem Rücksitz Christines Handtasche samt Papieren und Geld, im Kofferraum liegt ihr Mantel. Der Plüschteddy, der seinen Platz auf der Hutablage hatte, hingegen fehlt. Ebenso ein kleiner Stoffhund, der am Innenspiegel klemmte. Und der Schlüsselbund mit dem Cowboy-Anhänger taucht auch nirgends auf.

Unerträgliche Gewissheit für die Familie

Die Strecke zwischen dem Fundort Neckarelz und dem Wohnort Aglasterhausen misst ungefähr 15 Kilometer und ist von Wäldern gesäumt. Wochenlang durchforsten Hunderte von Menschen die Umgebung. An der Suche beteiligen sich viele Freiwillige. Aglasterhausen ist eine kleine Gemeinde im Odenwald. In den insgesamt vier Teilorten leben weniger als 5000 Einwohner, die in mehr als 30 Vereinen engagiert sind. Hier kennt so gut wie jeder jeden. Das Verbrechen an Christine Piller lässt keinen unberührt. Doch trotz der riesigen Hilfsbereitschaft und trotz der ausgesetzten Belohnung von 10 000 Mark, bringt die Suche keinen Erfolg. Die Mitbürgerin bleibt verschwunden, spurlos.

Acht Tage, nachdem Familie Piller ihre Tochter als vermisst gemeldet hat, entdecken Passanten am Straßenrand in der Nähe des Mosbacher Berufsschulzentrums den schwarzen Rock, den Christine Piller am Tag ihres Verschwindens getragen hat. Er bringt die Ermittlungen nicht weiter. Doch er erstickt die letzten Funken Hoffnung. Sieben weitere Wochen später wird aus der unvorstellbaren Vermutung eine schier unerträgliche Gewissheit.

Am Vormittag des 22. März 1986 suchen zwei Männer in einem Waldstück bei Gundelsheim einen Holzlagerplatz. Sie haben einige Festmeter ersteigert und wollen die Ware abholen. Doch bevor sie ihr Holz finden, entdecken sie die Leiche von Christine Piller. Die Obduktion ergibt, dass sie erstochen wurde. Sehr wahrscheinlich an dem Abend, an dem sie verschwand. Mehr gibt die Polizei nicht bekannt. Täterwissen!

Mehrere Hundert Hinweise, aber keine heiße Spur

Gundelsheim ist zehn Kilometer entfernt von Neckarelz und liegt in der entgegengesetzten Richtung von Aglasterhausen. Dort hatten die Fahnder bis dahin nicht gesucht. Wieder rücken Hundertschaften aus und durchkämmen den Wald. Auf jeden der wenigen Anwohner prasseln die gleichen Fragen ein: Haben Sie etwas beobachtet? Ist Ihnen etwas aufgefallen? Haben Sie diese Frau schon mal gesehen? In den Zeitungen erscheinen Fotos des Stoffhundes, der am Innenspiegel klemmte, des Cowboys, der am Schlüsselbund hing, der Stiefeletten, des Gürtels. Vielleicht kennt jemand jemanden, der seit Kurzem solche Gegenstände hat.

Die Polizisten gehen mehreren Hundert Hinweisen nach. Konkreter wird Kriminalhauptkommissar Nohe nicht. Sie könnten ja wieder relevant werden. Doch damals führen sie zu keiner heißen Spur. Im Mai 1986 räumen die 25 Beamten das Gundelsheimer Rathaus, das sie für ihre Ermittlungen in Beschlag nehmen durften. Die Soko Piller wird aufgelöst. „Wir mussten erkennen, dass wir nicht weitermachen konnten“, sagt Thomas Nohe, der heute den Arbeitsbereich Kapitaldelikte im Heilbronner Polizeipräsidium leitet. Dies sei einer der enttäuschendsten Momente dieses Falls gewesen. Bald liegt er 29 Jahre zurück.

Im Januar dieses Jahres wendet sich die Heilbronner Polizei wieder an die Öffentlichkeit. In einer Pressemitteilung steht: „Die Kriminalpolizei wird im Rahmen ihrer Ermittlungen nochmals auf die eine oder andere Person zugehen, die bereits nach der Tat vernommen wurde. Gleichzeitig bitten die Ermittler weitere mögliche Zeugen, sich zu melden, wobei jeder noch so unwichtig erscheinende Hinweis vielleicht doch hilfreich sein könnte.“

Aufruf in den Medien

Die Polizisten hoffen, dass sie endlich erfahren, wie Christine Pillers Fiesta am 23. Januar nach Neckarelz gekommen ist. Auf welcher Route? Mit welchem Fahrer? Auffallend unklar ist auch, wie Christine Piller ihre Mittagspause an jenem Tag verbrachte. Normalerweise ist sie immer von irgendjemandem irgendwo gesehen worden – dieses Mal nicht. Und was hat es mit dem Beifahrer auf sich, den die Tante am Morgen des 23. Januar gesehen haben will? Niemand weiß, ob es ihn wirklich gab. Thomas Nohe sagt, dass es nach dem jüngsten Aufruf in den Medien erstaunlich viele Hinweise gab. Details gibt er wieder nicht preis. Das könnte ja den Täter warnen.

Der Kommissar weiß, dass er und seine Kollegen gegen die Zeit arbeiten. Die Zeugen werden älter, der Täter wird es auch. Doch sollte es wirklich möglich sein, dass der Mord im Umfeld des Täters unbemerkt geblieben ist? „Wenn wir keine Hoffnung hätten, würden wir nicht ermitteln“, sagt Thomas Nohe. Kleiner Cowboy, hilf!

Am 23. Januar dieses Jahres erschien in verschiedenen Lokalzeitungen im Neckar-Odenwald-Kreis eine Traueranzeige. Neben einem Foto von Christine Piller stand geschrieben: „Ermordet! – Warum? – Von wem? Diese Fragen quälen uns, nicht nur an deinem heutigen Todestag. Wir werden dich nie vergessen.“