Die Ausstellung „Kehrseite(n)“ des Grafik-Kabinetts Backnang leistet Detektivarbeit und erzählt die spannende Geschichte von zwei Sammlern. Die Schau wird am Freitag, 8. Juni, um 20 Uhr im Helferhaus eröffnet.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Wer schaut auf die Rückseite von Meisterwerken? Wer wirft einen Blick hinter Grafiken von Rembrandt oder von Dürer? Celia Haller-Klingler hat es getan. Ungezählte Stunden war die Kunsthistorikerin, die das Grafik-Kabinett Backnang leitet, damit beschäftigt. Zusammen mit gut einem Dutzend Tübinger Studenten und mit Anette Michels, der Leiterin der Grafischen Sammlung der Universität Tübingen, hat sie die ungewöhnliche Ausstellung „Kehrseite(n)“ zusammengestellt, die am Freitag, 8. Juni, um 20 Uhr im Grafik-Kabinett eröffnet wird.

 

Die Ausstellung erzählt den Besuchern die Geschichte der zwei Sammler Ernst Riecker (1845 bis 1918) und Otto Freiherr von Breitschwert (1829 bis 1910). Breitschwert hatte seine Sammlung testamentarisch der Uni Tübingen vermacht, der Apotheker Riecker, der in den USA zu Wohlstand kam und in St. Louis starb, seiner Heimatstadt Backnang.

In einer von Rieckers Listen steht der Name Rembrandt

Auf den Rückseiten der Grafiken haben die Wissenschaftler Notizen, Stempelabdrücke und manches mehr gefunden und ausgewertet. Aufwendige Recherchen hätten einige neue Erkenntnisse ergeben, sagt Celia Haller-Klinger: So muss die Riecker-Sammlung einst deutlich mehr Werke umfasst haben, als „nur“ jene 1611 Grafiken, die der Stadt gehören. Die Sammlung war erst im Jahr 1929, gut zehn Jahre nach dem Tod des Gönners, aus Amerika über Hamburg in Backnang angekommen. Die Kunsthistorikerin hat den Unterlagen, die zur Sammlung gehören, entnommen, dass dieser Ernst Riecker all seine Werke penibel beschriftet hat. Die Grafiken waren durchnummeriert, mit Zahlen bis etwa 2400.

In einer von Rieckers Listen tauche dreimal der Name Rembrandt auf. In der Sammlung befinde sich aber nicht ein Rembrandt. Was das zu bedeuten hat, darüber, sagt die Leiterin des Grafik-Kabinett, könne man nur spekulieren. Sie ist sich aber ziemlich sicher: Auch Werke von Rembrandt – mittlerweile sehr wertvolle womöglich – haben einst zum Bestand gehört. Aufschluss geben könnte ein Blick in das alte Inventurbuch Rieckers. So ein Werk habe es einst sicher gegeben. Wo diese Auflistung aber abgeblieben ist, das sei leider nicht mehr herauszufinden. Gut möglich, dass das Buch während des Zweiten Weltkriegs in der Staatsgalerie Stuttgart verbrannt ist, dort jedenfalls sei das neue Inventarbuch 1929 geschrieben worden.

Die Recherchen werfen spannende neue Fragen auf

Die Recherchen werfen spannende neue Fragen auf: Wo sind die Rembrandts geblieben, falls denn tatsächlich welche zur Riecker-Sammlung gehörten? Hängen sie womöglich in den USA, in Hamburg, in Stuttgart oder gar in Backnang? Sie könnten freilich auch zwischen 1918 und 1929 – wegen schlechter Lagerung – schlicht kaputt gegangen und entsorgt worden sein.

Bei der Ausstellung sind trotzdem Rembrandts zu sehen, diese Werke gehören zur Tübinger Sammlung. Diese Tatsache bestärkt Celia Haller-Klinger in der Annahme, dass auch Riecker den ein oder anderen Rembrandt erworben hat. Riecker habe nämlich, anders als Breitschwert, ganz akribisch die Werke fast aller wichtigen Künstler gekauft. Dass ihm die Rembrandts zu teuer gewesen sind, sei keine Erklärung. Die Preise seien erst nach Rieckers Tod in die Höhe geschnellt – 1929, als die Sammlung in Backnang ankam allerdings, waren Rembrandts schon wertvoller.