Hunderte Fahnen und Plakate mahnen den Frieden an: Ein Projekt der Freien Kunstakademie mit geflüchteten Frauen und ihren Kindern ist zu Ende gegangen. Die Kunst gewordenen Motive sind aber noch eine Weile zu sehen.

Gerlingen - Baris, Shalom, Peace oder Salam: Ob Türkisch, Hebräisch, Englisch oder Arabisch – all das bedeutet auf Deutsch Frieden. Diese Worte sind in der Gerlinger Stadtmitte an vielen Stellen zu sehen. Etwa auf drei großen Fahnen vor dem Rathaus, als lange Girlandenketten aneinandergereiht über der Einmündung der Haupt- in die Kirchstraße, und auch auf Stellwänden im Erdgeschoss des Verwaltungssitzes. Die gut 300 teils sehr farbigen Motive im Format 30 mal 42 Zentimeter sind das Ergebnis eines Projektes mit Flüchtlingen der Freien Kunstakademie. Zur Gerlinger Einkaufs- und Kulturnacht wurde es der Öffentlichkeit vorgestellt.

 

Dutzende Frauen von hier und aus anderen Ländern haben daran mehr als ein Jahr gearbeitet. „Die Malphase ist vorbei“, erklärt Simone Vöhse von der Kunstakademie, auch die Phase der Vorbereitung der Ausstellung. Denn darum handelt es sich: Kunstwerke wurden geschaffen und werden nun präsentiert. Wobei der Arbeitsprozess ein Jahr lang andauerte. Von Juni 2017 bis zum Mai 2018 traf sich die Gruppe alle zwei Wochen mittwochs in der Akademie.

Das Malen war der Anlass, daraus entstanden Abende der Begegnung. „Das Prinzip hieß ,offenes Atelier’“, erklärt die Akademieleiterin. Zehn, fünfzehn oder auch mal dreißig Frauen seien an den Abenden da gewesen, sie hätten auch ihre Kinder mitgebracht. „Selbst die Jüngsten haben mitgemalt“, erzählt Vöhse, „es war überraschend, wie unbefangen die Frauen ans Malen herangegangen sind.“

Eine Firma stiftet den Stoff

Das DIN-A-3-Format der von einer Feuerbacher Firma gestifteten Fahnenstoffe habe dazu eingeladen, sofort ohne Hemmungen loszulegen. Aber es gab auch Großformate: An zwei Abenden hatte die Leinwand aus Fahnenstoff das Maß von zwei mal zwei Metern. Das habe vor allem die jüngeren Frauen fasziniert, „an jeder Kante sind eine oder zwei gestanden, es wurde ein Gemeinschaftswerk“.

Doch es blieb nicht beim Umgang mit Pinsel und Farben, beim Bemalen der Fahnenstoffe in der Größe 30x42 Zentimeter. Frauen aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak schlossen auch ihre Smartphones an die Tonanlage an, spielten Musik ihres Heimatlandes den anderen vor. Gemeinsam wurde getanzt, und gemeinsam wurde auch gegessen. Es gab Fladenbrot mit Hummus, Tabulet-Salate, Oliven und Schafskäse – fast an jedem Abend ein internationales Buffet. Und es waren auch viele Einheimische dabei. So wurde aus der geplanten künstlerischen Annäherung an das Thema ein Beispiel für praktische Friedensarbeit, das auch von der Stadt und der Bürgerstiftung unterstützt wurde.

Mit dazu beigetragen hat auch der Freundeskreis Asyl um Helga Frommholz. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, erzählt die Frau, die seit 1994 in der Stadt ehrenamtlich für Flüchtlinge tätig ist. „Die Flüchtlinge waren glücklich, alle haben ihre Sorgen vergessen. Sie haben zum Ausdruck gebracht, was sie brauchen, wonach sie sich sehnen, was sie vermissen.“ Dafür reiche ein Begriff: Frieden.

Nicht nur Regenbogen und Taube als Symbol

Dieser Zustand ist nicht nur mit Worten auszudrücken, wie Helga Frommholz meint. Sondern auch mit Motiven auf Fahnenstoff. So erkennt man den Regenbogen als bekanntes Friedenssymbol ebenso wie die Friedenstaube, auch mit Anklängen an Pablo Picassos Werk: Der Künstler verewigte die Taube mit einem blauen Strich.

Was Helga Frommholz auch wichtig ist: „Menschen verschiedener Religionen waren an einem Tisch versammelt. Sie haben miteinander geredet, auf Deutsch, auf Englisch, mit Händen und Füßen, mit einem Übersetzungsprogramm vom Handy.“ Sie ist beeindruckt von den vielen friedlichen Abenden. Nicht nur das Wort Frieden steht vielsprachig auf vielen Blättern.

Es sind Appelle, stumme Mahnungen und Aufschreie. „Frieden für Syrien“ ist auf einem Bild erkennbar. Darauf sind auch ein See, ein Baum, ein Haus und viele Berge. Neben vielen farbigen Motiven gibt es eines in Schwarz und Weiß: Zwei skizzierte Personen sind darauf. In Großbuchstaben stehen die Worte „Ich bin hier – Deine Schwester. Ich bin hier – Dein Bruder.“

Das Gerlinger Rathaus ist geöffnet montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr, dienstags zusätzlich von 15 bis 18.30 Uhr.