Das Landgericht Stuttgart hat eine Frau wegen mehreren Einbrüchen und Diebstählen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und sie zudem in die Psychiatrie geschickt. Die 35-Jährige war mehrfach in Studentenwohnheime eingedrungen und hatte dort in fremden Betten geschlafen.

Stuttgart - Die Antwort der 35-jährigen Angeklagten kommt spontan und geradeheraus. Die Vorwürfe stimmten, sagt sie. „Ich hatte kein Geld, keine Wohnung und keine Arbeit.“ Deshalb habe sie einbrechen und stehlen müssen. Immer wieder.

 

Die 19. Strafkammer des Landgerichts hat es mit einem ungewöhnlichen Fall zu tun. Eine Frau als Serieneinbrecherin ist eher die Ausnahme. Und eine Frau, die nicht nur einbricht, sondern sich in fremden Wohnungen und Zimmern auch noch ins Bett legt, ist sicher noch seltener.

Opfer fängt sich eine Ohrfeige ein

Der Anfang der ungewöhnlichen Serie datiert von Mitte September 2015. Damals stiehlt die Frau eine Schmucktasche im Studentenwohnheim in Stuttgart-Vaihingen. Die Besitzerin ertappt sie und fängt sich eine Ohrfeige ein. Die Diebin kann flüchten. An Heiligabend vorigen Jahres dringt die 35-Jährige in das Zimmer einer Studentin im Wohnheim ein. Mehrere Tage haust sie dort. Als die Studentin zurückkommt und die Frau im Bett überrascht, sagt der ungebetene Gast, der Professor habe ihr erlaubt, dort zu schlafen. Die Studentin möge vor der Tür warten, bis sie angezogen sei. Die 35-Jährige stiehlt eine Jeans und macht sich über den Balkon davon. „Ich wollte endlich mal wieder in einem Bett schlafen“, sagt die Frau vor Gericht. Zuvor hatte sie auf dem Sofa im Flur der Universität Vaihingen übernachtet.

Es geht munter weiter. Mehrere Male steigt sie in Studentenzimmer ein, schläft dort, bedient sich am Kühlschrank und stiehlt Bargeld und alles, was man verkaufen kann. Einmal bricht die hochintelligente Frau, die einst Mathematik und Wirtschaftswissenschaften in Stuttgart und Hohenheim studiert hat, in ein Gartenhaus in Sindelfingen ein, um dort zu nächtigen. Als sie der verdutzte Besitzer überrascht, erklärt sie ihm im Brustton der Überzeugung, sie habe die Hütte gekauft. Offenbar kann die 35-Jährige ziemlich überzeugend sein. Als ein Student sie mit seinem Rucksack sieht, den sie zuvor gestohlen hatte, macht sie dem Diebstahlopfer klar, dass sie wohl den gleichen Rucksack haben müssten. Der Student glaubt’s.

Diebin stiehlt Klausuren, um die Aufgaben zu lösen

Im Januar dieses Jahres dringt die Beschuldigte in den Vorraum einer Sparkasse in Pforzheim ein und stiehlt eine Kartusche Toner. „Ich dachte, das wäre eine Geldkassette“, sagt sie. Weitere Tatorte: ein Döner-Imbiss in Erdmannhausen, wo die Frau 400 Euro abgreift, ein Kindergarten in Marbach am Neckar, wo sie 40 Euro stiehlt und sich an Getränken und Keksen bedient. An der Uni in Vaihingen stiehlt sie aus Büros und Seminarräumen Laptops, eine Trompete, ein Saxofon, Herrenschuhe, einen Hammer, Saugnapfhaken und einen Stoß Klausuren. Klausuren? „Das waren Mathematikklausuren, ich wollte die Aufgaben lösen“, sagt sie. Auch ins Kindergartenhaus der Uni bricht sie ein und verköstigt sich mit Müsli und Saft.

Am 6. März dieses Jahres ist Schluss. In den frühen Morgenstunden schlägt die 35-Jährige zwei Scheiben eines Supermarkts in Freiberg am Neckar ein. In dem Markt greift sie lediglich eine Stofftasche ab und sie trinkt Orangensaft. Vor der Tür wartet bereits die Polizei. Die Scheiben seien schon eingeschlagen gewesen, so die Frau. „Ich bin den Supermarkt, weil ich dachte, da braucht jemand vielleicht Hilfe“, sagt sie. Vorsitzender Richter Uwe Tetzlaff ist verblüfft. „Hilfe? Ja, wer denn? Der Einbrecher?“

Angeklagte leidet an Schizophrenie

Die einstige Studentin und gelernte Steuerfachgehilfin, die zeitweise wohnungslos war, leide an einer undifferenzierten Schizophrenie, so der psychiatrische Gutachter. Aus früheren Krankenakten der 35-Jährigen geht hervor, dass sie an Verfolgungswahn, Vergiftungsängsten, an akustischen sowie visuellen Halluzinationen leide. Sie lebe in einer Scheinrealität, in einer bizarren Wahnwelt. Oder unwissenschaftlich: „Sie bekommt ihren Alltag nicht gebacken“, sagt der Sachverständige. Die soziale Prognose der Frau sei eine „Katastrophe“.

Die 19. Strafkammer verurteilt die ungewöhnliche Angeklagte schließlich zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis wegen Einbruchdiebstahls, Diebstahls und Körperverletzung. Gleichzeitig verfügt die Kammer die Unterbringung der Frau in der Psychiatrie. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie alles auf die Reihe kriegen“, so Vorsitzender Richter Uwe Tetzlaff.