Im Januar 1945 ist bei Waldenbuch ein viermotoriger Bomber der Royal Canadian Air Force verunglückt. Die Familie eines Piloten, der damals starb, sucht bis heute nach Antworten.

Waldenbuch - Es müssen dramatische Szenen gewesen sein, die sich am 28. Januar 1945 gegen 20.40 Uhr in Waldenbuch abgespielt haben. Etwa einen Kilometer von der Stadt entfernt, im Waldgebiet Lindhalde, stürzt ein schwer getroffener Lancaster-Bomber der Royal Canadian Air Force mit brennenden Motoren in den Wald. Fünf der sieben Insassen werden tot geborgen. Zwei Besatzungsmitglieder überleben schwer verletzt.

 

An diesem Abend, wenige Monate vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, verliert auch der 19-jährige Kanadier Fernand L. Jolicoeur sein Leben. Der Verlust treibt die Familie bis heute um. Viele Jahre hat seine Schwester Rose auf die Rückkehr des Bruders gehofft. Auch als schließlich feststand, dass der junge Pilot 1947 auf dem Durnbach War Cemetery in der Nähe des Tegernsees seine letzte Ruhe gefunden hat, blieben die Ereignisse präsent.

Was ist damals passiert?

Wo genau ist mein Großonkel abgestürzt, und was ist damals passiert – auf diese Fragen sucht der Großneffe des Absturzopfers Jean-Pierre Gendreau-Hétu seit vielen Jahren eine Antwort. Über Umwege ist die Anfrage des 55-jährigen Kanadiers jetzt beim Waldenbucher Heimatforscher Wolfgang Härtel gelandet, der in akribischer Kleinarbeit nach der Absturzstelle sucht.

Nach und nach fügen sich die Puzzleteile zu einem Bild zusammen. Mal wurde Härtel in einem Buch über die Kriegstoten der Kanadier fündig, mal halfen ihm Aufzeichnungen aus den Beständen der britischen Luftwaffe in London weiter. „Im Großraum Stuttgart wurden an diesem Abend zahlreiche Angriffe der Alliierten geflogen. Das Wetter war schlecht, und die Piloten mussten große Umwege fliegen“, hat der Heimatforscher recherchiert. Die Lancaster der Kanadier war nach den Berichten der überlebenden Crew-Mitglieder von einer deutschen Flak getroffen worden und fing Feuer. „Alle vier Motoren brannten. Wir stürzten mit solcher Geschwindigkeit zu Boden, dass die Fenster aus den Rahmen gedrückt wurden“, haben sie zu Protokoll gegeben.

Das Gebiet wurde abgesperrt

Angehörige der deutschen Luftwaffe und die örtliche Polizei waren nach den Aufzeichnungen des britischen Luftfahrt-Ministeriums damals schnell vor Ort. Das Gebiet wurde abgesperrt. Wolfgang Härtel kennt die Hintergründe: „Metall war damals in Deutschland Mangelware. Deshalb wurde streng darauf geachtet, dass die Bevölkerung nichts mitnimmt.“ Trotzdem hofft der Hobby-Historiker darauf, dass es Zeitzeugen gibt, die sich an den Absturz erinnern. „Kinder sind von Natur aus neugierig. Wer damals um die zehn Jahre alt war, müsste heute 85 Jahre oder älter sein“, erklärt Härtel. „Jegliche Angaben sind willkommen, damit ich Pierre helfen kann“, sagt er.

Zwischen dem Kanadier, der derzeit in der Schweiz lebt, und dem Heimatforscher aus Waldenbuch ist ein freundschaftliches Verhältnis entstanden. Man mailt sich oder telefoniert miteinander. „Pierre würde gern gemeinsam mit seiner Frau die Absturzstelle besuchen und – wenn es der Forst und die Behörden genehmigen – dort mit einem Metalldetektor nach etwaigen Fundstücken suchen“, erzählt Wolfgang Härtel. Doch zuvor muss das Suchgebiet noch eingegrenzt werden.

Im Blick ist ein Waldstück oberhalb des Rohrwiesensees

Die Spur ist heiß. „Ich habe alle mir bekannten Kontakte angerufen und kann die Stelle inzwischen grob lokalisieren“, berichtet der 76-Jährige. Im Blick hat er ein Waldstück oberhalb des Rohrwiesensees. Jetzt wartet er auf Luftaufnahmen der Alliierten aus den Beständen des Landesamts für Geoinformation und Landentwicklung, die helfen sollen, seine Vermutung zu bestätigen. Auch einige Hinweise aus der Bevölkerung gibt es bereits.

Nach der ersten Euphorie musste Wolfgang Härtel jedoch feststellen, dass es im genannten Zeitraum offenbar einen zweiten Absturz ganz in der Nähe gegeben haben muss. Aus den Berichten der Zeitzeugen schließt er, dass es sich um ein Jagdflugzeug gehandelt hat, das neben der Straße nach Weil im Schönbuch nur kurze Zeit später abgeschmiert ist. „Darüber ist allerdings nichts Genaues dokumentiert“, berichtet er.

Die Dokumentation, die Härtel über den letzten Tag im Leben des kanadischen Piloten Fernand L. Jolicoeur erstellt hat, ist dafür um so umfangreicher. Sobald es Corona zulässt, will Jean-Pierre Gendreau-Hétu nach Waldenbuch reisen und gemeinsam mit Wolfgang Härtel auf Spurensuche gehen. „Es wäre schön, wenn sich bis dahin noch ein paar Zeitzeugen finden, die bestätigen, dass ich mit meiner Vermutung über den Ort der Absturzstelle richtig liege“, sagt der Heimatforscher.

Kontakt Wer sich an die Vorgänge vom 28. Januar 1945 erinnern kann oder etwas zu berichten hat, kann sich bei Wolfgang Härtel, Telefon 07157/41 95 oder per Mail an w.haertel@alt-waldenbuch.de melden.