Die Studenten in Hohenheim protestieren, während Rektor Dabbert um die Professoren und die Zukunft der Uni kämpft.

Stuttgart - Mit einem Totentransparent haben am Donnerstag rund 500 Studierende gegen die Streichung der unbefristeten Leistungszulagen für Professoren der Uni Hohenheim protestiert. „Universität Hohenheim 1818–2012“ stand auf diesem Transparent. Auf anderen hieß es „Exitus“ und „Die Zeit der Leuchttürme ist vorbei“. Hintergrund der Aktion ist die Weisung des Wissenschaftsministeriums, die Hohenheim keinen Spielraum mehr für Gehaltsverhandlungen lässt – und sie so vom Wettbewerb um die besten Köpfe ausschließt. „Der Uni Hohenheim droht ein massiver Qualitätsverlust für die Lehre“, so Michael Schleich von der Fachschaft Kommunikationswissenschaft.

 

Von der Sparauflage des Ministeriums könnten er und seine Kommilitonen als Erste betroffen sein, denn ihr Professor Thorsten Quandt – einer von fünf Lehrstuhlinhabern in diesem Fachbereich – hat einen Ruf nach Münster erhalten, wo er bessere Forschungs- und Gehaltsbedingungen erhalten würde.

Ein Spitzenforscher auf dem Absprung

Quandt hat seit drei Jahren in Hohenheim eine W-3-Professur, ist seit 1. April Geschäftsführender Direktor des Instituts für Kommunikationswissenschaft und gehört mit seinen drei Millionen Euro an eingeworbenen Drittmitteln zu den Spitzenforschern in Hohenheim. Quandt kann die Strategie des Ministeriums nicht nachvollziehen. „Es rechnet sich nicht.“ Denn von seinen mittlerweile neun Mitarbeitern würden nur zwei vom Land finanziert, und auch ein Großteil seiner Ausstattung stamme aus selbst erworbenen Drittmitteln.

„Mein Ziel war, hier etwas aufzubauen“, sagt der 41-Jährige. Ihn habe die Attraktivität des Standorts und die finanziell gesunde Uni mit einem guten Umfeld nach Hohenheim gezogen. Die Maßgabe des Ministeriums sei „für alle Beteiligten an der Uni wie ein Schock“. Und sie habe „eine fatale Wirkung in die Wissenschaft hinein – denn natürlich spricht sich so etwas rum“. Quandt befürchtet einen „nachhaltigen Flurschaden“ für den Standort – „auch für Stuttgart und fürs Land“. Entscheiden werde er sich nächste Woche. Aber die Zukunftsperspektive in und für Hohenheim habe sich nun deutlich verschlechtert.

Studenten für konkurrenzfähige Besoldung

Michael Schleich formuliert das so: „Damit spielt Hohenheim ab jetzt nur noch in der zweiten Liga – mit Folgen für jeden Studenten. Die Auswirkungen für uns sind schlechtere Lehre und drittklassige Professoren – damit sinken die Reputation der Uni und schlussendlich auch unsere Jobchancen auf dem Arbeitsmarkt.“ Deshalb fordern die Studierenden das Finanz- und das Wissenschaftsministerium auf, eine konkurrenzfähige Besoldung für Hohenheimer Professoren zu ermöglichen.

Auch der neue Hohenheimer Unirektor Stephan Dabbert sucht nach Lösungen. Und er ist ein Mann der klaren Worte: „Die Uni Hohenheim hat Fehler gemacht und gegen das Recht verstoßen.“ Gemeint sind die jahrelangen Überziehungen beim Vergaberahmen für die Leistungszulagen der Professoren und, als Folge, die Anhäufung eines Defizits von 400 000 Euro – eine Erblast von Dabberts Amtsvorgänger Hans-Peter Liebig. „Ich wusste seit Februar, dass es ein gewisses Problem gibt, aber ich habe die Dimension nicht erkannt“, räumt Dabbert ein, der sein Amt als Rektor am 1. April angetreten hat.

Schwer in die Bredouille

Wie berichtet, hat das Wissenschaftsministerium, das diese Praxis über Jahre toleriert hat, dieser Art der Haushaltsführung just zum Rektorwechsel einen Riegel vorgeschoben und erlaubt nur noch befristete Leistungszulagen. Das bringt die Uni schwer in die Bredouille und hat auch Folgen für die derzeit laufenden 19 Berufungsverhandlungen.

Nicht nur Quandt ist auf dem Sprung. Von zwei Kandidaten seien bereits „sehr kritische Äußerungen“ gekommen sowie Rückfragen von Bewerbern, die schon auf Listenplätzen stehen, berichtet Dabbert – „die sind etwas konsterniert“. Denn die Bewerbung war unter anderen Vorzeichen erfolgt. „Ich habe den Leuten reinen Wein eingeschenkt“, sagt der neue Rektor. Auch seine Kollegen, Mitarbeiter und Studierende hat er umgehend über die Probleme informiert. Transparenz sei ihm wichtig.

Der Rektor ist zuversichtlich

Dabbert steht voll hinter dem von Liebig eingeschlagenen Wachstumskurs der Uni. Doch jetzt muss er schauen, wie er für die rund 10 000 zum Wintersemester erwarteten Studierenden auch genügend Professoren gewinnen kann. „Den etablierten Kollegen auf den Listenplätzen können wir kein konkurrenzfähiges Angebot machen – zumindest nicht in Form von unbefristeten Leistungszulagen.“ Dennoch ist Dabbert zuversichtlich: „Zum Herbst ist eine gute Lehre gesichert.“ Doch wie er trotz des klaren Wettbewerbsnachteils gegenüber anderen Hochschulen etablierte Kollegen in Hohenheim halten kann, weiß er noch nicht. Denn den Hohenheimern gesteht das Land aufgrund einer Durchschnittsberechnung aus dem Jahre 2001 nur geringere Professorenbesoldungen zu als anderen Hochschulen.

Hinzu kommt, dass Hohenheim einen beträchtlichen Anteil an älteren Professoren hat und deren Alterszulage aus demselben Topf bezahlen muss, aus dem auch die – nunmehr eingeschränkten – Leistungszulagen für die jüngeren Kollegen finanziert werden. In Hohenheim arbeiteten zudem etliche Kollegen über die Pensionsgrenze hinaus, was vom Land aus Kostengründen erwünscht ist. Diese seien hochgeschätzt, betont Dabbert. Aber ihre Zulagen „machen 20 Prozent unseres Problems aus“.

400 000 Euro müssen eingespart werden

„Das ist ein Konstruktionsfehler“, räumte auch ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums ein. „Aber wir werden das ändern und einen Gesetzentwurf vorlegen“, kündigte er an. Von einem gerüchteweise kolportierten Einstellungsstopp für die 19 in Hohenheim zu berufenden Professoren könne aber keine Rede sein, versicherte der Ministeriumssprecher. Von der Uni Hohenheim erwarte man nun jedoch ein Sanierungskonzept, wie die 400 000 Euro wieder eingespart werden können.

Daran arbeite man bereits, so Dabbert. „Wir richten unsere Berufungspolitik neu aus.“ Unter anderem wolle man die Berufungsverfahren zeitlich straffen. Und: „Wir werden die Leistungszulagen für tolle Forschungsprojekte streichen.“ Zudem werde man die Funktionsleistungsbezüge für künftige Amtsträger – auch Rektoren und Dekane – „nach unten korrigieren“.