Eigentlich wollte Wolfram Ressel, Rektor der Uni Stuttgart, im Umwelt- und Technikausschuss nur die Neugestaltungspläne des Campus in Vaihingen vorstellen. Dann konfrontierte ihn SÖS/Linke plus-Politiker Luigi Pantisano wegen umstrittener Äußerungen über Studenten aus dem Ausland.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Der neue Unicampus am Standort Vaihingen, der bis 2030 für mehr als 150 Millionen Euro umgebaut werden soll, dürfte Standards in Sachen Modernität setzen. Selbst Zukunftstechnologie wie selbstfahrende Autos finden Beachtung in den Plänen, die die Universität Stuttgart dem Ausschuss für Umwelt und Technik am Dienstag im Rathaus vorgestellt hat. Nur welche Studenten sich über die Annehmlichkeiten des futuristischen Campus’ freuen dürfen, darüber herrscht vor allem unter Stadträten von SÖS/Linke plus Irritation. Denn Unirektor Wolfram Ressel hatte vor zwei Wochen während seines Jahresberichts gesagt, dass mit 21,2 Prozent „zu viele“ Ausländer unter den Studierenden seiner Universität seien. Besonders die chinesischen Studenten bildeten eine problematische Gruppe, die zur „Ghettobildung“ neige.

 

SÖS/Linke-plus-Stadtrat Luigi Pantisano begrüßte, wie alle anderen Fraktionen auch, die Pläne zur Modernisierung des Campus’ zwar. Doch forderte er Rektor Ressel auf, sich für seine umstrittenen Äußerungen zu entschuldigen. „Ich war selbst Student an der Uni Stuttgart und habe selbst einen Migrationshintergrund. Ich erwarte, dass Sie Ihre Aussage hier zurücknehmen“, sagte Pantisano. Der Unirektor ließ seinen Kritiker abblitzen und ignorierte den Vorwurf schlicht.

Sozialbürgermeisterin würde Stellungnahme begrüßen

So schnell wollte sich Pantisano aber nicht geschlagen geben. Vor dem Sitzungssaal konfrontierte er Ressel erneut mit dem Thema. Ressel lenkte vor Zeugen zumindest soweit ein, dass er Stellung beziehen würde, falls ihn der seiner Ansicht nach zuständige Ausschuss für Integration zum Thema einladen sollte.

Dort wurden Ressels Äußerungen bereits kurz nach besagtem Jahresbericht diskutiert. Unter der Leitung von Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) zeigten Mitglieder des Ausschusses Befremden über Ressels Aussagen über Ausländer an der Uni. „Ich würde es begrüßen, wenn er in unserer Runde spricht, damit man darüber reden kann“, sagte Fezer.

Stadträte loben Pläne für Unicampus

Trotzdem herrschte im Ausschuss für Umwelt und Technik Einigkeit darüber, dass der Unicampus in Vaihingen kein Schmuckstück ist und Studierende, Wissenschaftler, Lehrkräfte sowie der gesamte Stadtbezirk von der vorgestellten Rahmenplanung profitierten. Diese sieht vor allem vor, der Bildungseinrichtung urbanes Lebensgefühl einzuhauchen – etwa durch die Aufwertung der Erdgeschosse an den Gehwegen, einer besseren Nahversorgung und der Sanierung der Parkanlagen.

„Der Campus soll wie ein Stadtviertel organisiert sein“, sagte Franz Pesch, Universitätsprofessor und Stadtplanungsexperte. Das Konzept weise in die Zukunft, wenn die Wege so ausgebaut werden würden, dass auch computergesteuerte, selbstfahrende Autos dort vorankommen. Erst kürzlich hat Mercedes-Benz weit fortgeschrittene Prototypen von Fahrzeugen vorgestellt, die im Straßenverkehr ohne Fahrer auskommen. „Beeindruckend, was Sie hier leisten“, kommentierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Martin Körner die Präsentation. Ihm ist die Verlängerung der Stadtbahnlinie U 8 über den Campus bis nach Büsnau ein wichtiges Anliegen. Die Grünen hoffen, dass durch das urbane Flair die Fakultäten zukünftig besser untereinander vernetzt werden.

Auch die CDU ist mit Ausnahme des geplanten Parkhausabrisses begeistert vom Konzept für den Campus 2030: „Wir haben hier keine Rohstoffe, aber Hirn. Es ist wichtig, dass wir kluge Köpfe mit einem attraktiven Campus für die Region gewinnen“, sagte CDU-Stadtrat Carl-Christian Vetter. AfD-Stadtrat Bernd Klingler pflichtete ebenfalls bei: Er hält die Pläne für eine „sehr, sehr gute Sache“.

Problem mit Wohnraum bleibt bestehen

So schön der Campus auch werden sollte: Das Problem mit der hohen Zahl der Studierenden ist damit nicht gelöst. Aktuell sind 28 000 Studenten an der Uni Stuttgart eingeschrieben – Tendenz deutlich steigend. Auch wenn im Rahmen des Campus’ 2030 über 130 neue Studentenwohnungen geplant sind, dürfte der Wohnungsmangel für Studierende akut bleiben: Die 6000 Wohnplätze, die vom Studierendenwerk Stuttgart betreut werden, reichen schon jetzt nicht aus, den Bedarf zu decken.

Ob es die Lösung sein kann, weniger um Studenten aus dem Ausland zu werben, ist jedoch allein wegen des Prozederes fraglich. Eine Limitierung gibt es aktuell ohnehin nur bei Studiengängen mit Numerus clausus, in denen nur acht bis zehn Prozent der Plätze an Ausländer vergeben werden. Viele große Studiengänge, wie Bauingenieurwesen oder Elektro- und Informationstechnik, fallen nicht unter diese Beschränkung.