Laut einem Recherchekollektiv sollen 48 deutsche Hochschulen mit militärischen Forschungseinrichtungen in China kooperiert haben. Es geht auch um Rüstungsknowhow. Die Uni Stuttgart erklärt, wie sie es damit hält.

China steht im Verdacht, Forschungskooperationen mit deutschen Unis für die strategische Aufrüstung seines Militärs zu nutzen. Auch die Uni Stuttgart beziehungsweise ihre Forscher kooperieren mit 15 chinesischen Unis, wie sie auf Nachfrage unserer Zeitung einräumt. Jedoch existiere „keine Projektkooperation zwischen der Universität Stuttgart und der National University of Defence Technology (NUDT) und dementsprechend auch kein Mittelfluss“, erklärt Uni-Sprecher Hans-Herwig Geyer.

 

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NUDT ist eine militärische Spitzenuni in China. Forschung unterliegt dort direkt Regierungsinteressen. Und was liegt da näher, als das Knowhow aus Forschungsprojekten auch für die Optimierung des Militärs zu nutzen. Da ist es eine spannende Frage, inwieweit auch die in Kooperation mit deutschen Unis gewonnenen Erkenntnisse dort einfließen. Oder abgesaugt werden. Und wie das verhindert werden soll.

Im Fokus steht eine Forschungsarbeit über Verschlüsselungstechnik

An dem von einem internationalen Recherchenetzwerk als diesbezüglich kritisch eingestuften wissenschaftlichen Papier von Anqi Huang im Rahmen seiner Doktorarbeit an der University of Waterloo, Canada, über quantensichere Direktkommunikation und Verschlüsselungstechnik habe auch eine Forscherin der Uni Stuttgart mitgearbeitet. Dabei gehe es um Grundlagenexperimente dazu sowie deren Schwachstellen und wie diese behoben werden könnten. Alle Ergebnisse seien öffentlich zugänglich, es seien diesbezüglich keine Mittel an die Uni geflossen, betont Unisprecher Geyer. Auch sogenannte Dual-Use-Bedenken, also Bedenken, dass Forschungsergebnisse sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können, lägen bei dieser Arbeit nicht vor, so Geyer.

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Die Uni Stuttgart unterhalte derzeit mit 15 chinesischen Unis DFG-geförderte Forschungsvorhaben. Dabei gehe es unter anderem um angewandte Mechanik, thermische und chemische Verfahrenstechnik, Astrophysik, interaktive und intelligente Systeme, Strömungsmechanik, Mikro- und Messsysteme, elektronische Halbleiter, Automatisierungstechnik, Robotik, Quantenoptik, Fernerkundung und Bioverfahrenstechnik.

Stuttgarter Luft- und Raumfahrtinstitut hat mit Chinesen kooperiert

Zuvor habe das Institut für Thermodynamik der Luft- und Raumfahrt mit der Shanghai Jiao Tong University über das Einfrieren von Tröpfchen geforscht, die auf unterkühlte hybride mikro-/nanoporöse metallische Oberflächen mit Anti-Icing-Modifikation treffen. Das Projekt sei nicht abgeschlossen worden, es sei auch kein Geld geflossen, nur Reisekosten wurden erstattet. Eine geplante Kooperation mit dem Institut für Luftfahrtantriebe sei nicht genehmigt worden.

Mit der Tsinghua University habe die Uni Stuttgart zwei Forschungskooperationen unterhalten. Beim Institut für Thermodynamik der Luft- und Raumfahrt ging es um Untersuchungen der Strömungskultur und Hitzeübertragungseigenschaften in Röhren. Das Projekt sei auf deutscher Seite von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert worden, auf chinesischer von deren nationalem Förderprogramm „National Nature Science Foundation of China“ (NSFC). Beim Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik ging es um Pyrolysereaktionen und Reaktionen von Pyrolyseprodukten bei der Biomassevergasung.

Uni Stuttgart hält Zivilklausel wegen gesetzlicher Vorgaben für überflüssig

Doch welche Mechanismen gibt es an der Uni Stuttgart, um die Gefährlichkeit solcher Projekte im Sinne von möglicher militärischer Nutzung einzuordnen und dies zu verhindern? Denn eine eigene „Zivilklausel“ gebe es an der Uni nicht. Diese sei „aufgrund der gesetzlichen Vorgaben obsolet“, so Geyer. Grundlage für die Prüfung internationaler Kooperationen in und außerhalb der EU seien das Außenhandelsgesetz, die Dual-Use-Verordnung der EG, das Kriegswaffenkontrollgesetz sowie die Leitlinien des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Bei Forschern aus dem Ausland sei auch die Überprüfung personenbezogener Embargomaßnahmen vorgesehen. Die Uni biete ihren Forschern und Beschäftigten regelmäßig Schulungen dazu an.

Darf ansonsten an der Uni Stuttgart auch in Robotik, Raumfahrt, KI oder Halbleitern jeder forschen, wie er will? Antwort Geyer: „An der Uni Stuttgart können alle Forschenden mit wissenschaftlicher Freiheit und gemäß der Vorgaben guter wissenschaftlicher Praxis in internationaler Zusammenarbeit Beiträge zur Lösung globaler Zukunftsfragen leisten.“

Die meisten ausländischen Studis der Uni Stuttgart kommen aus China

Auch die aus China: Derzeit seien 73 chinesische Wissenschaftler befristet beschäftigt, vier unbefristet, sowie drei Professoren. Unter den 5140 ausländischen Studierenden an der Uni Stuttgart sind die 1328 Chinesen die größte Gruppe. Diese belegten unter anderem Technologiemanagement (129), Elektromobilität (84), Elektrotechnik und Informationstechnik (70), Fahrzeug- und Motorentechnik (67), Maschinenbau (53), Autonome Systeme (51), Luft- und Raumfahrttechnik (35).