Drei Stuttgarter Hochschulen sind für ihr Kooperationsprojekt für ein Bibliothekskonzept der Zukunft ausgezeichnet worden. Doch die Umwandlung der maroden Unibibliothek auf dem Campus Stadtmitte in ein visionäres Zentrum lässt auf sich warten.

Sie ist marode, seit 2018 denkmalgeschützt – und könnte ihre beste Zeit noch vor sich haben: die Unibibliothek im Campus Stadtmitte. Denn aus dem 1961 entstandenen Bauwerk könnte ein nach modernsten Erkenntnissen ausgestattetes Forum der Wissenschaftskommunikation werden, urbaner Hingucker inklusive. Mitten im Stadtgarten und im Zentrum dreier Hochschulen. Was da noch alles reingehört außer Büchern, haben die Uni Stuttgart, die Hochschule für Technik (HFT) und die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in einer Projektstudie als Kooperationsprojekt unter dem etwas sperrigen Titel „C-Hub“ ausgetüftelt. Dafür wurden sie unlängst mit dem Förderpreis des Deutschen Bibliotheksverbands ausgezeichnet. Und nun?

 

Ziel ist eine landesweite Vorreiterrolle

„Wir haben uns sehr darüber gefreut“, sagt Helge Steenweg, der Leiter der Unibibliothek, „weil es ja zeigt, dass das, was wir machen, auch außen ankommt“. Seit 2019 arbeiten die drei Hochschulen und ihre Bibliotheken an einer gemeinschaftlichen Lösung. Ziel sei neben deutlich erweiterten Öffnungszeiten auch ein innovatives Angebot für Wissenschaftsvermittlung und mithin eine Vorreiterrolle in der Bibliothekslandschaft in Baden-Württemberg. „Wir haben hier ein Filetgrundstück. Wir sind eine Wissenschaftsstadt; und wir würden gern die Wissenschaft, die hier betrieben wird, in die Stadtgesellschaft bringen“, erklärt Steenweg und verweist auch auf auf das große Potenzial an Sammlungen. „Wir haben als UB ja einen Großteil externer Nutzer.“ Insgesamt seien es in Vor-Corona-Zeiten 1,2 Millionen Besucher im Jahr in der Stadtmitte und in Vaihingen gewesen, die Angehörigen der drei Hochschulen mitgerechnet.

Vision: variable Raumkonzepte

„Im ersten Schritt haben wir unsere Visionen in einer Machbarkeitsstudie zu anwendbaren Ideen ausgearbeitet“, berichtet Bibliotheksleiter Helge Steenweg. Das 61 Seiten starke Ergebnisdossier umfasst nicht nur ein detailliertes Konzept für den Bedarf der Nutzer der Unibibliothek und die anzubietenden Dienstleistungen, sondern auch für Flächenbedarf und Organisationsstruktur. Selbst ein Rechtsgutachten dazu wurde erstellt. Das Konzept trage auch dem durch Corona veränderten Leben und Arbeiten der Beschäftigten und Studierenden und deren Wünschen Rechnung, etwa durch variable und neue Raumnutzungskonzepte, Stichwort „space sharing“. Außerdem auf der Wunschliste: ein Tagungs- und Veranstaltungszentrum und vor allem auch mehr Lernplätze. Das haben auch die Studierenden immer wieder gefordert.

Wassereinbrüche, zu wenig Steckdosen

Vor Corona waren es einmal insgesamt 1307 Nutzerarbeitsplätze, davon 670 in der Stadtmitte. Doch von denen seien aktuell nur 50 nutzbar – und das auch nur, weil man den Vortragssaal dafür einsetze. Grund seien Teilsanierungen. „Wir haben seit zwei Jahren den Lesesaal zu“, so Steenweg. Derzeit würden die Wassereinläufe über alle drei Stockwerke erneuert – „die sind in einem katastrophalen Zustand. Wir hatten 2020 und 2021 drei Wassereinbrüche. Wir hoffen aber, dass wir im Januar 2034 wieder die Bibliothek vollständig nutzen können“. Wenigstens soweit das unter den derzeitigen Rahmenbedingungen möglich sei. Denn, so der UB-Chef: „Wir haben jetzt schon zu wenig Steckdosen für die Studis – es hapert am Strom.“ Eigentlich müssten die Leitungen, die Fenster und Außenhaut des Gebäudes erneuert werden.

Keine Bauplanung in Sicht

Während Steenweg an eine Generalsanierung denkt, gekoppelt an einen Erweiterungsbau, könnte sich Unirektor Wolfram Ressel auch den Abriss und einen Neubau vorstellen, falls dies wirtschaftlicher wäre. Gern in einem großen Wurf. So hatte er sich vor einem Jahr geäußert. UB-Chef Steenweg würde sich wenigstens den Beginn einer Planung wünschen: „Im Augenblick sehe ich keine Perspektive: Wenn wir nicht anfangen, es in die Praxis umzusetzen, passiert auch in 15 Jahren nichts.“ Denn so lang dauere ein Planungsprozess im öffentlichen Dienst.

Auch die Antwort von Finanzstaatssekretärin Gisela Splett auf eine Landtagsanfrage der SPD vom April dieses Jahres kann in dieser Sache wenig Hoffnung machen. Das Universitäts-Bauamt habe im Jahr 2019 einen Masterplan zur baulichen Entwicklung des Campus Stadtmitte erstellt, dessen Bestandteil auch die Bibliothek der Universität Stuttgart und ein möglicher Erweiterungsbau seien, heißt es darin. Und: Der Plan sei der Stadt Stuttgart bereits im Februar 2020 vorgelegt worden. Die Vorstellung in den städtischen Gremien stehe allerdings noch aus.

Uni: ohne Realisierungsabsicht

Auch die Ansage der Universität klingt inzwischen verhaltener: „Campus-Hub entstand als eine visionäre Projektidee ohne direkte Realisierungsabsicht“, erklärt die Unisprecherin Lydia Lehmann. Ein neues Gebäude für die UB sei in den Projektlisten für Neubaumaßnahmen des Landes nicht enthalten, also nicht priorisiert. „Es gibt nur Chancen auf eine Realisierung von Campus-Hub, wenn das Land Baden-Württemberg ergänzend zu den aktuell geplanten baulichen Entwicklungen der Universität Stuttgart zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt“, so Lehmann. Und: „Es ist seitens der Uni Stuttgart keine Umschichtung der für die nächsten zehn bis 20 Jahre eingestellten Landesbauprojekte geplant.“

Unibauamt: Sanierung statt Neubau

Carmen Zinnecker-Busch, die Leiterin des Unibauamts, stellt klar: „Ein großer Neu- oder Erweiterungsbau ist nicht nicht der Plan. Wir sanieren den Bestandsbau und schauen, wie viel wir von den Ideen für C-Hub da umsetzen können.“ Derzeit laufe eine technische und energetische Grundlagenerhebung, um eine Sanierung vorzubereiten und nicht immer nur Stückwerk zu betreiben. Ziel sei auch eine deutlich verbesserte Energiebilanz. „Eine moderne Datenverkabelung kriegen wir hin.“