Die Freiburger Schule hat die Sportmedizin in Deutschland geprägt. Einige der Ärzte, die sich im Grenzbereich des Erlaubten bewegten, waren auch im Fußball aktiv. Unter anderem beim VfB Stuttgart.
Stuttgart - Nicht alle Wege führen nach Freiburg, aber viele, zumindest wenn man einen Stammbaum der deutschen Sportmedizin zeichnen würde. Die Namen Joseph Keul und Armin Klümper würden ganz oben stehen. Der 2000 verstorbene Keul, viele Jahre Chefarzt des Olympiateams und bis zu seinem Tod Betreuer des Daviscupteams, galt früher als Doyen der Sportmedizin, laut Antidopingkämpfer Werner Franke ist er der „geistige Urheber und einer der kriminellen Köpfe des Dopings im Breisgau“, wie er mal sagte.
Ende der 1960er Jahre wurde Freiburg zur Tuningwerkstatt des deutschen Sports. Alles, was Sport trieb, rannte zu Keul und Klümper. Was war Freiburg? Der ehemalige Kugelstoßbundestrainer Hansjörg Kofink, der sich in den 1970ern weigerte, seine Athleten zu dopen, sagt: „Freiburg war eine der westdeutschen Antworten auf Staatsplan 14.25.“ Der Staatsplan 14.25 war die Grundlage des Staatsdopings der DDR.
Keuls Schüler sitzen an einflussreichen Positionen
Vom Breisgau aus hat die Freiburger Schule mit all ihren umstrittenen Methoden und Personen gestreut und eine Generation von Sportmedizinern geprägt wie etwa Keuls ehemalige Assistenzärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid, die in den Telekom-Skandal in Freiburg verwickelt waren. Bis heute sitzen Keuls Schüler an vielen einflussreichen Positionen im Sport.
Ernst Jakob zum Beispiel, Jahrzehnte Verbandsarzt im Deutschen Ski-Verband und im Radsport für Bianchi, Coast, Phonak, Astana und Gerolsteiner tätig, war im Prozess gegen Radprofi Stefan Schumacher belastet worden. Jakob, der bei Keul promovierte und damals an Testosteron forschte, wurde aber nichts nachgewiesen. Er bestreitet Leistungsmanipulationen. Wilfried Kindermann war als Arzt der deutschen Olympia-Mannschaft bei acht Olympischen Spielen und im Ärzteteam der Fußball-Nationalmannschaft von 1990 bis 2000. Er hatte unter Keul gelernt und mit ihm sowie Heinz Liesen zwischen 1986 und 1990 an einer heute umstrittenen Testosteronstudie gearbeitet. „Ich habe nie Pro-Doping-Forschung betrieben, wir wussten in den siebziger Jahren aber auch nicht das, was wir heute über Anabolika und die Nebenwirkungen wissen“, hat Kindermann, der jetzt in Antidopinggremien (unter anderem beim DFB) sitzt, 2007 erklärt und wehrte sich gegen die „Sippenhaft“.
Es waren fraglos andere Zeiten, es wurde munter experimentiert und die Folgen von Doping verharmlost. Manche Studie von damals lässt sich als wissenschaftliche Grundlagenforschung deklarieren. Oder als Grundlagenforschung für Doping.
Liesen war auch schon beim VfB tätig
Heinz Liesen war Arzt der nordischen Kombinierer sowie Betreuer der Fußball-Nationalmannschaft bei den WM-Turnieren 1986 und 1990, später war er unter Trainer Matthias Sammer bei Borussia Dortmund und auch beim VfB Stuttgart tätig. Liesen sprach sich noch 2011 im „Spiegel“ für eine Freigabe von Testosteron aus: „Ich sehe es als Mittel zur besseren Regeneration an.“ So argumentierten viele Sportmediziner. Es sei allein um Hilfe für die Sportler angesichts der Belastungen durch den Spitzensport gegangen, nie um Doping, das alles verschleiert mit dem Wort „Substitution“.
Viele Vorgänge von damals haben einen üblen Beigeschmack, aber konkrete Betrügereien und Dopingverstöße sind vielen jener Sportärzte nicht nachzuweisen.
Der Hohepriester der Muskeln ist heute Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. Er ist Arzt des FC Bayern und unzähliger Stars des Sports, wie etwa auch von Usain Bolt, der ihm nach seinem 100-Meter-Olympiasieg 2012 persönlich dankte. Müller-Wohlfahrt setzt zur Behandlung unter anderem das aus Kälberblut hergestellte Actovegin ein, das intramuskulär gespritzt wird. Verboten ist das nicht, aber die Methode ist unter Ärzten umstritten. Sportmediziner im Leistungssport arbeiten mit Hochleistungskörpern und gegen die Folgen der Belastung. Und manche bewegen sich medizinisch „kreativ“ am Rande der Legalität in einer ethischen Grauzone.
„Die Sportmedizin hat in der Vergangenheit große Schuld auf sich geladen“, sagte der Arzt und Rechtsanwalt Heiko Striegel, der auch Teamarzt des VfB Stuttgart ist, 2013 der StZ. „Es gibt die offizielle Dopingliste, und dann gibt es Grauzonen, in denen es um moralische Erwägungen geht. Es gibt leider Ärzte mit der Philosophie: Wir schöpfen alles aus, was geht. Ich sehe es nicht so, dass alles, was nicht verboten ist, erlaubt ist.“
In einem unveröffentlichten Buchmanuskript von Klümper heißt es: „Für mich und auch andere Ärzte ist es völlig selbstverständlich, dass Medikamente, die vielleicht im Dopingreglement verankert sind, verwendet werden, wenn wir es medizinisch für notwendig halten, und dass ich mir in keinster Weise vorschreiben lasse, welche Therapie ich zu betreiben hätte.“