Der Südwesten soll zum Zuge kommen bei der Neubesetzung des Unions-Fraktionsvizepostens. Aber jetzt erhält der Favorit Andreas Jung (Freiburg) plötzlich einen Mitbewerber aus Bruchsal-Schwetzingen.

Berlin. - Die Schockwellen, die die überraschende Abwahl Volker Kauders als Chef der Unionsfraktion im Bundestag ausgelöst haben, führen weiter zu Nachbeben. Epizentrum der jüngsten Verwerfungen ist die Landesgruppe Baden-Württemberg. Darum geht es: Mit seinem Coup rückte der Nordrhein-Westfale Ralf Brinkhaus an die Fraktionsspitze – und hinterließ eine Lücke, denn bisher war er – mit Zuständigkeit für Finanzen und Haushalt – Fraktionsvize. Während alle anderen dieser Vizeposten in jener turbulenten Sitzung wieder besetzt wurden, blieb Brinkhaus’ alter Stuhl noch leer.

 

Baden-Württemberg erhebt darauf Anspruch – als Ausgleich für die Abwahl Kauders, die den Südwesten im politischen Berlin erheblich geschwächt hat. Das schien lange keine spektakuläre Personalie zu sein. Denn viele in der Landesgruppe hielten es für ausgemacht, dass in Andreas Jung, dem amtierenden Landesgruppenchef, ein geeigneter und akzeptierter Kandidat zur Verfügung stünde. In einer Sondersitzung der Landesgruppe meldete Jung sein Interesse an und wurde nach übereinstimmenden Berichten der Sitzungsteilnehmer von der übergroßen Mehrheit derjenigen, die sich zu Wort meldeten, unterstützt. Aber es gab überraschend auch Widerstand. Der Finanzpolitiker Olav Gutting (Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen) will auch Fraktionsvize werden. An diesem Montag muss die Landesgruppe sich auf ihren Vorschlag verständigen. Am Dienstag entscheidet die Fraktion. Hinter den Kulissen ist nun eine Art Miniwahlkampf entbrannt. Während Jung immer noch als Favorit gilt, werden für Gutting nun vor allem drei Argumente ins Feld geführt, zwei offen, eins eher indirekt.

Der Konkurrent pocht auf seine Sachkompetenz als Finanzpolitiker

Gutting, der sich vor allem die Unterstützung der Wirtschaftspolitiker in der Fraktion erhofft und für den sich der Chef des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten, starkmacht, pocht auf seine Sachkompetenz als Finanzpolitiker. Seine Unterstützer führen ins Feld, dass sich der Fraktionsvize mit Themen wie Steuerpolitik oder der Eurorettung befassen muss, deshalb sei Erfahrung hier unabdingbar. Das Jung-Lager verweist darauf, dass „Finanzpolitik“ nur ein Themenblock ist, für den sich der Fraktionsvize verantwortlich fühlen muss. Auch „Haushalt“ gehört dazu. Im Übrigen sei Jung zwar als Umweltpolitiker bekannt, habe aber als Vorsitzender der deutsch-französischen Parlamentariergruppe reiche europäische Erfahrung und sei als Anwalt in einer führenden Wirtschaftskanzlei (wo seine aktive Tätigkeit während der Zeit als Politiker ruht) auch bestens qualifiziert.

Die Debatte kreist zweitens um die Frage, ob das Amt des Vizefraktionschefs und des Landesgruppenchefs getrennt werden müssten. Jung will beides behalten. Sein Lager findet das richtig, weil damit dem Südwesten mehr Gewicht verliehen würde. Heikel würde das Thema nur bei einer Vermischung von Regierungs- und Fraktionsamt. Das sei hier nicht der Fall. In der Sondersitzung traf das auf heftigen Widerspruch des Abgeordneten Axel Fischer (Karlsruhe), der sich selbst als dritten Kandidaten ins Gespräch gebracht hat, aber als chancenlos gilt.

Merkel-Freund – das gilt nicht mehr als Kompliment

Der dritte Punkt ist spannend. Guttings Lager lanciert die Erzählung vom Zweikampf des Merkel-Freundes Jung gegen den Neuerer Gutting, der sich in der Euro-Rettungspolitik schon gegen Merkel gestellt habe – die vermeintliche Erfolgsstory, die vielleicht auch Ralf Brinkhaus geholfen hat. Die Jung-Unterstützer halten es indes für ein Foulspiel, Jung als braven Merkel-Mann hinzustellen. Interessant ist, dass sich der Innenexperte Armin Schuster, der gerne als Merkel-Gegner angesehen wird, für Jung positioniert, dessen Qualifikation „außer Zweifel“ stehe. Auch die Stuttgarter Abgeordneten Karin Maag und Stefan Kaufmann stützen Jung. „Er hat das erste Zugriffsrecht“, sagt Maag. Und Kaufmann lobt, dass Jung „das nötige politische Gewicht“ für das neue Amt mitbringe.