Der Unionskanzlerkandidat plädiert im Interview mit unserer Zeitung für ein besseres Meinungsklima in Deutschland und wirft Rot-Grün vor, wegen ihrer Wirtschaftsfeindlichkeit den Klimaschutz zu schwächen.

Berlin - Der Unionskanzlerkandidat Armin Laschet hat sich deutlich gegen verschärfte Impfauflagen wie in anderen europäischen Staaten ausgesprochen. „Ich setze auf die Kraft des Arguments“, sagt der CDU-Vorsitzende im Interview mit unserer Zeitung. „Wir haben unseren Bürgerinnen und Bürgern versprochen, dass es keine Impflicht geben wird. Daran halte ich mich auch als Bundeskanzler.“

 

Ausdrücklich würdigt Laschet die gestiegene Impfquote im Nachbarland Frankreich als Erfolg, fügt aber hinzu: „Trotzdem lehne ich die Rigorosität der Franzosen in dieser Frage ab.“ In Frankreich gilt seit Mittwoch eine Corona-Impfpflicht für alle Mitarbeiter von Krankenhäusern, Alten- oder Pflegeheimen, Pflegediensten sowie für Mitarbeiter von Rettungsdiensten und Feuerwehr. In Italien müssen alle Arbeitnehmer vom 15. Oktober an nachweisen, dass sie gegen das Coronavirus geimpft, kürzlich genesen oder negativ getestet worden sind.

Warnung vor der gesellschaftlichen Aggression

Vor dem letzten TV-Dreikampf mit der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und SPD-Kontrahent Olaf Scholz warnt Laschet vor einem Klima gesellschaftlicher Aggression gegen Menschen, die sich mit der Impfentscheidung schwer täten: „Man darf niemanden verdammen, der sich noch nicht sicher ist.“ Als möglicher Bundeskanzler wolle er sich grundsätzlich für ein „besseres Meinungsklima in Deutschland“ einsetzen – „auch für Meinungen, die ich oder viele andere Menschen nicht teilen.“

Im Streit um den Klimaschutz verteidigt der CDU-Chef seinen Ansatz: „Ohne wirtschaftliche Stärke erreichen wir gar nichts, auch nicht das extrem ambitionierte Ziel der Klimaneutralität bis 2045.“ Der Konkurrenz von SPD, Grünen und Linken wirft Laschet vor, mit ihrer Politik letztlich auch dem Klima zu schaden: „Die finanzpolitischen Irrwege einer rot-grün-roten Bundesregierung würden auch den Kampf gegen den Klimawandel schwächen.“ Die Union wolle „das Klima schützen und – das unterscheidet uns von den Wettbewerbern – den Wirtschaftsstandort Deutschland ebenso schützen“.

„Die Reihenfolge der Energiewende war falsch“

Mit Blick auf die laufende Energiewende kritisiert Laschet, dass Deutschland zuerst aus der Kernenergie und dann aus der Kohle aussteige. „Die Reihenfolge der Energiewende war falsch.“ Ändern wolle er das aber nicht mehr. „Unter mir als Bundeskanzler wird es keinen Ausstieg aus dem Ausstieg geben“, so Laschet. Er weist aber darauf hin, dass auch der Weltklimarats IPCC die Atomenergie ausdrücklich als CO2- arme Energie benenne.

Im unserem Interview äußert sich Laschet auch ausführlich zu außen- und europapolitischen Fragen. Hinsichtlich des langen Asylstreits mit Ungarn spricht er sich klar gegen Überlegungen aus, das Land aus der EU zu drängen. „Jetzt müssen wir alles tun, um die Ost-West-Spaltung zu überwinden“, so Laschet: „Das gelingt nur, wenn Kritik lösungsorientiert ist.“ Auch gegenüber Polen rät er der EU-Kommission im Streit um die Rechtsstaatlichkeit „verbal abzurüsten. Wenn man solche Grundfragen eskaliert, endet es immer schlecht für alle“. Den EU-Partnern sagt Laschet zu, in der China- und Russlandpolitik „ohne deutsche Sonderwege“ regieren zu wollen.

Gut eine Woche vor der Bundestagswahl liegt die Union in Umfragen zurück. Die Forschungsgruppe Wahlen sieht die SPD aktuell bei 25 Prozent, CDU und CSU bei 22 Prozent.