Die Eröffnung des Textilhändlers Uniqlo an diesem Freitag ist ein Indiz für die Neuordnung der Kräfteverhältnisse in der Stadt. Immobilien-Experten rechnen mit sinkenden Mieten in der Innenstadt und einer Aufwertung der Quartiere.

Stuttgart - Die Königstraße steht vor einem großen Wandel. Darüber sind sich alle Immobilien- und Handelsexperten einig. Indizien dafür sind auch die Eröffnung der Uniqlo-Filiale an diesem Freitag im ehemaligen Gebäude des Herrenausstatters Eckerle und der Start von Primark im kommenden Jahr. Uneinig sind sich die Experten über die Richtung: Geht der Abwärtstrend weiter, oder geht es wieder aufwärts? Zuletzt hatten drei große Immobilienmakler unabhängig voneinander einen Rückgang der Passantenfrequenz gezählt. Waren es einst rund 11 000 Besuchern pro Stunde, so flanieren derzeit nur etwa 8900 Passanten über die Königstraße.

 

Das trifft die Einzelhändler besonders hart, wie Handelsverbandspräsident Hermann Hutter bei einer Fachkonferenz des Handels im Geno-Haus unlängst sagte: „Früher wurden noch rund 241 Einkäufe im Jahr für den täglichen Bedarf getätigt, aktuell sind es nur 228 Shopping-Trips.“ Das sei bedeutsam, denn 70 Prozent aller Einkäufe seien nicht geplant, sondern Impulskäufe. „Daher ist die Passantenfrequenz so wichtig für den Handel“, erklärt er.

Damit ist die Stuttgarter Einkaufsmeile in bester Gesellschaft. Auch andere Toplagen in Deutschland verzeichnen ähnlich starke Rückgänge. „54 Prozent aller Kommunen beklagen diesen Frequenzrückgang“, sagt die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands, Sabine Hagmann. Aber Stuttgart schneide bei dieser Statistik zur Passantenfrequenz besonders schlecht ab.

City ist schlecht erreichbar

Die Gründe sind schnell erzählt: Der Online-Handel schöpft immer mehr Kaufkraft ab. Aber auch die Erreichbarkeit der Innenstädte ist ein wichtiges Thema. Stau, 40er-Zonen, Parkraummanagement, Parkgebühren oder die Unzuverlässigkeit der S-Bahnen sind für Konsumenten aus der Region oft ein Hindernis, nach Stuttgart zu fahren. Auch der Abzug von Kaufkraft durch die beiden Center (Milaneo und Gerber) ist ein Grund. Letztlich habe jedoch die Aufenthaltsqualität der City nach Ansicht vieler Händler gelitten: Zahlreiche Demonstrationen auf dem Schlossplatz oder religiöse und politische Infostände auf der Königstraße würden Passanten eher abschrecken, lautet eine oft gehörte Klage.

Steht der Königstraße und der City nun also ein Wandel bevor? Die Frage beschäftigt auch die Stadt. Eine Abfrage der Stadt bei den großen Maklern hat ergeben: Im kommenden Jahr werden besonders viele Mietverträge in der City auslaufen. Konkret heißt es, dass es dann im Cityring etwa 70 verfügbare Flächen gibt. „Der Markt ist in Bewegung – in vielen Innenstadtlagen von einem Vermietermarkt hin zu einem Mietermarkt. Es gibt mehr hochpreisiges Angebot als übereinstimmende Nachfrage. Es besteht in einigen Lagen ein Wettbewerb zwischen den Flächen“, sagt Philipp Nothdurft vom Makler Jones Lang Lasalle.

Sabine Hagmann bestätigt die Einschätzung: „Diese Gemengelage drückt auf den Mietpreis.“ Es könne also passieren, „dass die Königstraße ein anderes Gesicht bekommt“, sagt Hagmann, „denn es gibt auch Flächen, die sind für Großinvestoren zu klein“. Für den Textilhandel seien sie wiederum zu teuer. Derzeit liegt beispielsweise der Quadratmeterpreis für ein 100-Quadratmeter-Objekt auf der Königstraße bei 200 Euro aufwärts. Nach Lage der Dinge und Ansicht der Experten, werden in Zukunft eher Systemgastronomen als kleine Händler diese Mieten bezahlen können oder wollen. So bricht zum Beispiel das Modegeschäft Bogner seine Zelte auf der Haupteinkaufstraße ab.

Die Mieten werden sinken

Ganz anders sieht die Sache in den Nebenlagen aus. „Dort, wo es weniger Nachfrage gibt, kann der Mietpreis im Vergleich zu den Höchstwerten aus den Vorjahren auch mal um 20 Prozent sinken“, sagt Makler Nothdurft. Gemeint sind beispielsweise die Calwer Straße, die Eberhardstraße oder die Marienstraße. Aber die Königstraße wird laut Rainer Bartle, Geschäftsführer des Buchhauses Wittwer, nicht ihren Wert verlieren: „Diese Entwicklung wird an der Königstraße spurlos vorübergehen. Uniqlo oder Primark würden doch sonst dort keine neuen Läden öffnen.“ Florian Henneka, Inhaber des Kindermodeladens Korbmayer, stößt ins gleiche Horn: „Die Tatsache, dass sich beide Center nicht besonders leicht tun, zeigt doch, wie stark die Innenstadt ist.“

Das japanische Textilunternehmen Uniqlo, das am heutigen Freitag auf der oberen Königstraße auf drei Etagen eröffnet, ist tatsächlich ein gutes Beispiel für die Anziehungskraft der Königstraße. Uniqlo-Europa-Chef Takao Kuwahara bestätigte gegenüber dieser Zeitung: „Zunächst hat die Region eine hohe Kaufkraft. Zudem hat die Königstraße eine hohe Attraktivität. Stuttgart ist für uns aber auch der Test für eine weitere Expansion.

Es scheint also dabei zu bleiben: Handel ist Wandel. Insofern könnte es in der oberen Königstraße spätestens im Herbst 2017 mit der Passantefrequenz wieder steil nach oben gehen. Dann eröffnet Primark im ehemaligen Karstadt-Gebäude.