Dabei hat der in München lehrende Arbeitsmarktexperte Rieble am Donnerstag in einem Reuters-Interview kräftig nachgelegt gegen Guttenberg. "Da sind eindeutige Fremdtexte wortwörtlich abgeschrieben, es sind keine Fußnoten, es sind teilweise keine Angaben im Literaturverzeichnis zu den Fremdtexten." Es fehlten vor allem auch die Anführungszeichen, die man beim wörtlichen Fremdzitat unbedingt brauche. Sein Fazit der mit summa cum laude (mit Auszeichnung) bewerteten Arbeit: "Ich finde das Buch wissenschaftlich gesehen mangelhaft." Der Leser werde darüber getäuscht, dass bestimmte Texte oder Gedanken nicht von Guttenberg, sondern von einem anderen stammten. "Das ist mit wissenschaftlichen Standards schlechterdings nicht vereinbar." Rieble empfiehlt den Bayreuthern, sich Zeit zur Prüfung der Dissertation zu nehmen. Sollte es zur Aberkennung kommen, sei dies nicht so schlimm: "Man muss als Minister nicht promoviert sein."

Der Betroffene könnte dies anders sehen. Die Promotion sei "auch ein Distinktionsmerkmal", sagt Matthias Jaroch vom Hochschulverband, deshalb promovieren jedes Jahr rund 25.000 Personen, Tendenz seit 2007 steigend, seit 2008 stagnierend. Laut einer Studie wird Mitarbeitern mit Promotion bis zu 13.000 Euro Jahresgehalt mehr gezahlt, sagt Jaroch, auch für Politiker sei der Doktortitel "reputationsfördernd". "Der Hinweis auf den Doktor auf einem Wahlplakat vermittelt Seriosität und Kompetenz." Im Falle der Aberkennung gilt wohl das Gegenteil.

Möglicher Karrieremakel


Bei Verstößen gegen die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens hat auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein scharfes Schwert: Sie gilt als größter öffentlicher Förderverband der Forschung, hat einen Jahresetat von 2,2 Milliarden Euro und rügt gelegentlich schlampige Wissenschaftler, was einen Makel für deren Karriere bedeutet. Vor zwei Wochen hat die DFG zwei Professoren gerügt, die bei einem Antrag auf Fördermittel abgeschrieben hatten. Diese hatten sich darauf berufen, dass die problematischen Passagen von Mitarbeitern verfasst worden seien. Diese Ausrede hatte die DFG nicht überzeugt. Auf Zitate hinzuweisen sei ein "elementarer Grundsatz in der Wissenschaft". Aber ab wann ist ein Text ein Plagiat? Einheitliche Standards fehlen. Vor Jahren hatten Wirtschaftswissenschaftler in Stuttgart beschlossen, von einer "schweren Täuschung" zu sprechen, wenn eine Arbeit im Hauptstudium zu zehn Prozent abgekupfert sei.