An der Universität Hohenheim können Übergewichtige wissenschaftlich unterstützt abnehmen. Der Leiter der Studie wünscht sich mehr Engagement von den Krankenkassen.

Stuttgart - Abnehmen? Nichts leichter als das. Viele bunte Blätter versprechen mit fetten Lettern purzelnde Pfunde und das Ganze fast mühelos und ohne großen Verzicht, Disziplin und Einschränkungen. Manche Diäten lassen Fleisch weg, andere hingegen Brot, wieder andere Fett und Zucker. Es wird Kost getrennt und trotzdem heftig geschlemmt. Aber am Ende ist der Erfolg dann doch meist sehr überschaubar, vorsichtig gesagt.

 

Und das liegt daran, dass bei allen Versprechungen eines gerne verschwiegen wird. Gewicht verliert nur, wer mehr Energie verbraucht, als er über das Essen zuführt. Punkt. Weniger essen und mehr Bewegung funktioniert also, aber auch da kann man qualitativ einiges falsch machen. Das Ziel einer Gewichtsreduktion ist ja ganz allgemein, Fett abzubauen. Wer einfach weniger isst, reduziert damit allerdings auch Muskelmasse. Und das ist nicht besonders hilfreich.

Uni richtet sich an extrem Übergewichtige

Wie man Gewicht hauptsächlich über Fettverbrennung von den Hüften bekommt, ist aber nicht so ganz einfach. An der Universität Hohenheim geht man das sonst überwiegend von Frauenzeitschriften besetzte Thema denn auch wissenschaftlich an. Das Institut für Ernährungsmedizin widmet sich unter der Leitung des Facharztes für Innere Medizin und Gastroenterologie, Stephan C. Bischoff, um wissenschaftlich fundierte Konzepte zur Gewichtsreduktion. Dabei geht es aber nicht um zwei, drei Kilo Hüftspeck für eine bessere Bikini-Figur. In dem der Uni angegliederten Zentrum für Klinische Ernährung (ZKES) soll vor allem extrem übergewichtigen Menschen geholfen werden, die innerhalb eines Jahres 20 oder mehr Kilo verlieren wollen, die also aktuell einen Body-Mass-Index (BMI) von mindestens über 30 haben. Der Index wird ermittelt, indem man sein Gewicht durch die Körpergröße im Quadrat teilt. Ab einer Zahl von größer als 30 spricht man von Adipositas, also von Fettleibigkeit. Ab einem BMI von größer als 35 von Adipositas Stufe zwei, bei über 40 von Adipositas Stufe drei.

Die Hohenheimer Klientel besteht hauptsächlich aus Patienten der Stufe zwei und drei, für die weniger Gewicht nicht nur eine Frage des Wohlfühlens, sondern auch aktive Gesundheitsfürsorge ist. Ein gewisser Leidensdruck kann bei dem 52 Wochen langen Programm auch sicher nicht schaden. Das Programm hat zwar Erfolg, aber es fordert auch. „Unsere Methode funktioniert nur dann, wenn sich die Patienten darauf einlassen, ihr Leben umzustellen“, erklärt der Facharzt Bischoff.

Vier Aspekte sollen den Betroffenen helfen

Vereinfacht basiert das Programm „Optifast 52“ auf vier Säulen. Da ist zuvorderst eine sogenannte Formula-Diät. Dazu gehört aber auch eine Anleitung zur sportlichen Bewegung, eine psychologische Verhaltenstherapie und eine medizinische Begleitung über die gesamte Zeit.

In den ersten zwölf Wochen des einjährigen Programms müssen die Probanten durch eine harte 800-Kalorien-Diät. Verzehrt werden dabei hauptsächlich aus Pulvern angerührte Drinks und Suppen der Firma Optifast, einem Unternehmen aus dem Hause Nestlé. Die Nähe einer universitären Einrichtung zu dem Konzern stört Institutschef Stephan C. Bischoff nicht. Im Gegenteil: „Ich verschreibe als Arzt ja auch Medikamente einer gewissen Firma, wenn ich davon überzeugt bin, dass sie hilfreich sind“, sagt er. Die Rezeptur von Optifast sei nahezu identisch mit einem vor 20 Jahren von Lebensmittelspezialisten und Ernährungsmedizinern entwickelten sogenannten Ulmer Trunk.

Kostspielige Therapie

Die Kernaussage dieser Diät: die Drinks erzeugten ein Sättigungsgefühl, durch ihre Zusammensetzung mit viel Eiweiß und nahezu null Fett schmelze das Körperfett, die Muskeln blieben aber nahezu erhalten. Bischoff verweist hier auch auf eine Studie an vier deutschen Universitäten, in der 2011 die Daten von 9000 Probanten auswertet wurden. Das Ergebnis laut Bischoff: das Programm funktioniere und erzeuge durch die Begleitung auch eine Nachhaltigkeit. Das bedeutet, dass viele ihr reduziertes Gewicht auch halten können. Nach zwölf Wochen wird die reine Pulverdiät übrigens Schritt für Schritt durch normale Mahlzeiten ergänzt und ersetzt.

Billig ist die Teilnahme an dem Programm aber nicht. Optifast 52 kostet etwa 3000 Euro, also etwa neun Euro pro Tag. „Ich würde mir wünschen, dass sich die Krankenkassen mehr daran beteiligen“, sagt Bischoff, der darauf verweist, das normalgewichtige Menschen schließlich seltener an Zivilisationskrankheiten wie zum Beispiel Diabetes erkranken. Zudem sei starkes Übergewicht oft auch ein Phänomen sozial schwacher Schichten, die Therapie somit für viele nicht bezahlbar. Erst bei Adipositas Stufe zwei würden sich einige Kassen auf Antrag an den Kosten beteiligen.

Das Ziel weniger Gewicht scheint also seriös erreichbar, aber nicht so leicht, wie es manch buntes Blatt verspricht. Eine Diät mag da der Einstieg sein. Verhaltenstraining und Wille sind aber genauso wichtig.