Die Universität Stuttgart stellt Europas größten Fahrsimulator vor. Er soll bei der Entwicklung von Autos helfen, die sicherer sind und weniger klimaschädliche Kraftstoffe verbrauchen.

Stuttgart - Ein Iglu auf Stelzen oder doch eher ein gelandetes Ufo – ein Blick auf den Fahrsimulator regt die Fantasie an. Bei näherer Betrachtung verstärkt sich der Eindruck, es handle sich bei der Kuppel auf Metallbeinen um ein Raumschiff. Denn in der Außenhaut befinden sich Luken. Sie scheinen wie geschaffen zu sein für Astronauten. Doch das Innere des Doms offenbart kein Kommandodeck. Unter einer hohlen Kuppel gibt es nichts außer einer Plattform. Auf ihr werden künftig Autos geparkt, um kräftig durchgeschüttelt zu werden wie Eiswürfel in einem Cocktailmixer.

 

Professor Hans-Christian Reuss berichtet, was Europas größter Simulator so alles kann. „Er bewegt ein Auto vertikal, neigt es zur Seite und lässt es wanken und das auf zehn Metern in der Fahrzeuglängsrichtung und auf sieben Metern in der Fahrzeugquerrichtung.“

In den Autos werden nicht nur Berufsfahrer sitzen, die zum Beispiel für Autohersteller Testfahrten unternehmen, sagt Reuss: „Wir wollen auch den Otto-Normalfahrer im Simulator sehen.“ Die ersten Testreihen mit dem Simulator und den Probanden sollen schon bald beginnen, sagt Reuss. Er ist Vorstandsmitglied des Forschungsinstituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren (FKFS) an der Universität Stuttgart.

Wissenschaftler des FKFS haben gemeinsam mit Kollegen vom gleichfalls zur Universität gehörenden Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen (IVK) den Simulator seit 2008 entwickelt und errichtet. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung beglich mit einer Förderung in Höhe von drei Millionen Euro den größten Teil der Kosten. 1,8 Millionen Euro investierte das Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in den Fahrsimulator.

Sicherer Fahren und weniger Kraftstoff sind die Ziele

Die beiden Hauptsponsoren wollen mithilfe des Simulators vor allem zwei Dinge herausfinden: Wie können Fahrzeuge mit weniger Kraftstoff auskommen, und wie können sie sicherer fahren. Das vom Land geförderte Projekt ElefAnt nimmt dabei besonderen Bezug auf die E-Mobilität. Die Autos mit teilweise oder vollständig elektrischem Antrieb sollen sparsamer Strom verbrauchen. Denn auch bei der Herstellung von Elektrizität zum Beispiel in Kohlekraftwerken entsteht das klimaschädliche Kohlendioxid.

Allerdings soll der Simulator auch dabei helfen, dass Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb weniger Sprit verbrauchen. Das sei Aufgabe von intelligenten Assistenzsystemen, die noch zu entwickeln sind, sagt Hans-Herwig Geyer, Sprecher der Universität. „Wir wollen Autos, die von sich aus den Verbrauch steuern und im Gleichmaß fahren“, sagt er. Der Mensch neige ja nicht von sich aus zu vernünftigem Verhalten auf der Straße, fügt er hinzu. Deshalb soll es also künftig die Maschine selbst richten und entscheiden, wann wie viel Gas gegeben wird. Sind solche Assistenzsysteme im Land ohne generelles Tempolimit nicht das Ende des sprichwörtlichen deutschen Fahrvergnügens? Hans-Herwig Geyer zuckt mit den Schultern: „Das ist ja leider ohnehin eher ein Rasevergnügen.“

Die gedrosselte Geschwindigkeit berührt auch die zweite Aufgabe des Simulators. Er soll die schlimmsten Szenarien erproben und den Forschern somit die Möglichkeit geben, Autos sicherer zu machen. Zwölf LED-Projektoren stellen zum Beispiel Aufprallunfälle nach. Um die Illusion perfekt zu machen, gibt es neun Projektoren für die Sicht nach vorn und zur Seite. Die anderen drei stellen die Umgebung in den Seiten- und Innenspiegeln des Fahrzeugs dar. Mit den Tests könnten Sensoren entwickelt werden, die Unfälle mit Kindern vermeiden, sagt der Sprecher der Universität Hans-Herwig Geyer: „Dann kann das Auto auch bremsen, wenn der Fahrer die vorbeilaufenden Kinder gar nicht sieht.“

Künftig sollen Autos aber nicht nur im Auftrag von Bund und Land durchgerüttelt werden. Auch der Autoindustrie steht der Simulator zur Verfügung. Sie soll schließlich eines Tages die Systeme verkaufen, mit denen das Vergnügen am Rasen ein Ende haben soll.