Der „Berliner Kreis“ ist der Zusammenschluss der Konservativen in der CDU und wendet sich gegen die „Karstadtisierung“ der Partei. Ein geplantes Manifest der Unions-Traditionalisten verzögert sich nun offenbar. Ein Aufstand gegen Angela Merkel ist aber in keinem Fall geplant.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Es gibt viele Unzufriedene in der Union. Sie vermissen konservative Akzente. Nur wenn es darum geht, genauer zu benennen, was darunter denn zu verstehen sei, wird es schwierig. In diesem Stadium befindet sich gerade der so genannte Berliner Kreis, ein Zirkel von CDU-Politikern, denen die eigene Partei zu modern und verwechselbar geworden ist.

 

Eigentlich wollte sich der Club am 23. August offiziell formieren und dazu ein konservatives Manifest vorstellen. Doch der Termin wankt. Und die Arbeiten an der Programmschrift kommen nur zäh voran. Zudem fällt die Deklaration offenbar eher schmalspurig aus. Die neue Formation richte sich auch keineswegs gegen die Kanzlerin. „Das ist kein Anti-Merkel-Kreis“, versichert der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach, ein führender Kopf des schwarzen Forums.

Neue Gruppe versteht sich nicht als „Anti-Merkel-Kreis“

Neben dem Eurorebellen Bosbach, einem der profiliertesten Parlamentarier der Union, zählen unter anderem die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach sowie die Fraktionsvorsitzenden der Landtage von Brandenburg, Saskia Ludwig, und Hessen, Christean Wagner, zu dem konservativen Kreis. Aus Baden-Württemberg gehören die Abgeordneten Thomas Dörflinger und Thomas Bareiß dazu. Bosbach und Bareiß repräsentieren den Zirkel in der Bundestagsfraktion, Wagner gilt gewissermaßen als Geschäftsführer. Er behält sich auch vor, das Manifest in druckfähige Fassung zu bringen. Daran arbeitet er gerade.

Der Kreis existiert als informelles Netzwerk bereits seit der letzten Bundestagswahl. 30 bis 40 Unionisten rechnen sich angeblich zu dieser Gruppierung. Erklärte Absicht sei, „der CDU zu helfen, dass sie den Anschluss an ihre Stammwähler nicht verliert“, sagt Bosbach. „Es ist ja nicht so, dass wir von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilen würden.“ Der Rheinländer tritt vehement dem Anschein entgegen, hier formiere sich eine parteiinterne Opposition gegen den modernistischen Kurs der Kanzlerin „Wir hatte in den letzten Jahren vier Veranstaltungen“, berichtet er, „und dabei ist kein einziger Satz gefallen, mit dem die CDU Probleme haben könnte.“

Gegen die „Karstadtisierung“ der Union

Den Rohentwurf für ein Manifest der konservativen Christdemokraten hat der Hotzenwälder Abgeordnete Dörflinger erarbeitet. Er ist im Bundestag bisher vor allem dadurch aufgefallen, dass er wie Bosbach zum wachsenden Lager der christdemokratischen Dissidenten bei Euroabstimmungen zählt. Der 47-Jährige hatte schon im Sommer vergangenen Jahres ein Thesenpapier verfasst, das sich kritisch mit den Positionen der eigenen Partei auseinandersetzt. Darin schreibt er, der „von seinen Protagonisten Modernisierung genannte Prozess“ sei „im Wesentlichen mit ursächlich dafür“, dass die CDU zunehmend Wähler verliere. Dörflinger beklagt eine „Verunsicherung“. Die Politik der Partei der Kanzlerin umschreibt er als „Karstadtisierung der CDU“. Das Ergebnis sei ein „programmatischer Bauchladen“. Merkels Modernisierungskurs sei „keine in sich konsistente Bewegung“, so Dörflingers Thesen.

Das Papier bietet aber nicht im Ansatz so etwas wie einen Katechismus konservativen Denkens. Es ist eher ein Sammelsurium politischer Vorschläge, die unter Konservativen zum Teil durchaus umstritten sind. Zum Beispiel macht Dörflinger sich für ein „solidarisches Bürgergeld statt Hartz IV“ stark, eine Idee, die noch auf den gescheiterten Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus zurückgeht. Ebenso angreifbar ist das Plädoyer für eine pauschalierte Einkommensteuer nach dem Modell von Paul Kirchhof. Damit hat die CDU im Wahlkampf 2005 schlechte Erfahrungen gemacht. Dem Vernehmen nach provozierte Dörflingers Entwurf für ein konservatives Manifest zahlreiche Korrekturvorschläge. Der Autor befindet sich gerade in Urlaub – und weilt dort auch noch am Donnerstag kommender Woche, dem Datum, an dem das Manifest eigentlich vorgestellt werden sollte. Es ist äußerst fraglich, ob der Termin überhaupt stattfindet, weil weitere Vorkämpfer der Traditionalisten verhindert sind. Offiziell gibt es auch noch keine Einladung. Die Räume sind aber bereits gebucht.

Mitglieder des konservativen Kreises sind bemüht, die Erwartungen zu dämpfen. Man habe sich unter dem Manifest kein umfassendes Grundsatzprogramm vorzustellen, sagen sie. Eigentlich umfasse es „nur ein paar Seiten“.