„Da bin ich perfektionistisch.“ Diesen Satz hat vermutlich jede:r schon mal gehört oder selbst gedacht. Doch was steckt eigentlich dahinter: Eine einfache Floskel oder eine große Belastung, die viel Zeit und Anstrengung kostet? [Plus-Archiv]
Schnell eine Abgabe für die Universität erledigen, bei der Arbeit kurz eine wichtige E-Mail schreiben und zwischendrin noch das Geburtstagsgeschenk für eine Freundin basteln. Nebenher klingelt das Telefon, die Kaffeetasse ist leer und es warten noch 20 weitere To-Dos. Man sitzt vor seiner Aufgabe und gibt sein Bestes, doch für das eigene Empfinden ist nichts gut genug. Man ist einfach nicht zufrieden. Es ist nicht perfekt. Es nimmt immer mehr Zeit in Anspruch, doch man kommt nicht voran. Einfach loslassen und die Aufgabe als erledigt ansehen, ist keine Option. Es muss wenigstens annähernd perfekt werden.
Der Begriff Perfektionismus wird im Allgemeinen oft dafür verwendet, dass die eigenen Ziele sehr hoch gesteckt sind und hohe Ansprüche an sich selbst gelten. Die Dinge sollen so gut wie nur möglich erledigt werden, am besten perfekt. „Immer besser sein wollen als notwendig“, gibt eine der 16 Befragten in einer anonymen Mediakompakt-Umfrage an. „Bis ins kleinste Detail alles perfekt machen zu wollen, auch wenn es vielleicht übertrieben ist und keine nennenswerte Verbesserung hervorbringt“, antwortet eine Interviewte auf die Frage, was Perfektionismus für sie bedeutet. Laut dem Duden bedeutet das Wort Perfektionismus das übertriebene Streben nach Perfektion.
Perfektionismus zeigt sich im Studium, in der Freizeit, in jeder Kleinigkeit
Perfektionistisch zu sein kann Vorteile haben, wie zum Beispiel das Erbringen von sehr guten Leistungen und erfolgreich zu sein. Allerdings gibt es auch viele Nachteile, die einen starken Leistungsdruck, die Angst vor dem Versagen, ein schnelles Gefühl von Unzufriedenheit und viel Stress mit sich bringen können. Die Mediakompakt-Umfrage hat ergeben, dass die 16 Teilnehmer:innen vor allem bei den Aufgaben und Tätigkeiten im Studium perfektionistisch sind. „Dass man bewertet wird, erhöht den Druck“, stellt eine der Befragten fest. Auch bei der Arbeit, bei kreativen Aufgaben und Hobbys und bei Selbstgemachtem, wie zum Beispiel Geschenken, sind einige der Teilnehmenden perfektionistisch.
Perfektionismus ist für viele belastend
Von den 16 Teilnehmer:innen geben 13 an, dass sie sich durch ihren Perfektionismus manchmal eingeschränkt oder belastet fühlen. Auf die Frage, inwiefern sie sich so fühlen, antworten die meisten, dass ihr Perfektionismus sie viel Zeit kostet. „Manchmal beginnt man die Dinge aufzuschieben“, sagt eine der Befragten, „weil sie im Kopf schwieriger und ausführlicher scheinen, als sie eigentlich sind.“ Das wird bestätigt durch die Aussage einer anderen Teilnehmerin, die sich in ihrer Produktivität gehindert fühle, da sie manche Aufgaben aufgrund ihrer hohen Erwartungen gar nicht starte. Einige der Teilnehmenden sagen, dass sie sich manchmal unnötig gestresst fühlen. „Ich setze mich selbst stark unter Druck, um zu leisten und andere denken ich würde übertreiben“, antwortet eine andere Teilnehmerin. Zudem berichtet eine Befragte von einem leidenden Selbstwertgefühl.
Es gibt einige Tricks und Wege, um gegen den eigenen Perfektionismus anzukommen. Manchmal hilft es schon, sich klarzumachen, dass kein Mensch auf dieser Welt perfekt ist. Aber: Perfektionismus kann krank machen. Das bestätigt die Psychologin Christine Altstötter-Gleich. Wenn das Streben nach der Perfektion zu groß werde, dann könne es zu Depressionen, einem Burn-out oder zu sozialen Ängsten kommen. Deswegen sei es wichtig, sich bei zu großer Belastung professionelle Hilfe zu suchen.
Sechs Tipps, um perfekt unperfekt zu werden:
1. Einfach anfangen und nicht zu lange überlegen und alles komplizierter machen, als es ist.2. Keine Angst davor haben, Fehler zu machen oder zu scheitern.3. Sich selbst nicht zu hart bewerten und liebevoll mit sich umgehen.4. Nicht mit anderen vergleichen.5. Versuchen loszulassen und auf sich selbst zu vertrauen.6. Das große Ganze betrachten und sich nicht in Kleinigkeiten und Details verlieren.
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit den Studierenden der HdM entstanden und erschien erstmals am 4. August 2023.