Mehrere Kammern am Landgericht Stuttgart beschäftigen sich mit Klagen von Anlegern, die mit Anteilen an Solarparks unzufrieden sind. Nun macht ihnen ein vom Gericht bestelltes Gutachten neue Hoffnung.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Im Rechtsstreit über Solaranlagen, die von der Stuttgarter Versicherung finanziert wurden, lässt ein vom Landgericht Stuttgart bestelltes Gutachten die Anleger hoffen. Die Ertragsprognosen für den Solarpark in Mecklenburg-Vorpommern, der Gegenstand der Auseinandersetzungen ist, waren demnach deutlich überhöht. Selbst die geringste von mehreren Voraussagen hätte mit der gewählten Technik an dem konkreten Standort „unter keinen denkbaren Umständen jemals erreicht werden können“, schreibt der Sachverständige Eckart Wiesenhütter in dem Gutachten, das unserer Zeitung vorliegt. Dabei bewertete er nicht den tatsächlichen Ertrag der Anlage, sondern die Angaben zu den prognostizierten Erträgen im Verkaufsprospekt. Klagende Anleger werfen den beteiligten Firmen vor, sie seien mit überhöhten Ertragsprognosen geködert worden. Diese weisen den Vorwurf zurück. Auch Nichtfachleute hätten die Prognosen aus Sicht des Sachverständigen als unrealistisch erkennen können. Eine Literaturauswertung habe ergeben, dass sich Erträge in der prognostizierten Höhe an keinem deutschen Standort erzielen ließen. Ein Vergleich mit bereits realisierten Anlagen hätte „deutliche Hinweise auf eine erhebliche Überbewertung der prognostizierten Erträge geliefert“, schreibt Wiesenhütter. Dies gelte selbst für das Worst-Case-Szenario, also den ungünstigsten Fall.

 

Gutachten an Ermittler geleitet

Die Leipziger Anwaltskanzlei Fingerle, die zahlreiche Käufer von Anlagen in dem Solarpark vertritt, sieht sich durch den Gutachter bestätigt. Dabei nimmt sie besonders die Stuttgarter Versicherung ins Visier, die die Anlagen finanziert hatte. „Es ist für uns unvorstellbar, dass der Vorstand und die verantwortlichen Mitarbeiter der Stuttgarter Lebensversicherung a. G. diese eklatanten Abweichungen von den Ertragsprognosen nicht gekannt haben wollen“, teilte die Kanzlei mit.Dies sei besonders deshalb unverständlich, da die Versicherung selbst „in diesem Zeitraum in Fotovoltaikprodukte investierte und mit einer ,grünen Rente‘ warb“; sie habe daher die Leistungsfähigkeit einer PV-Anlage aus eigener Erfahrung einschätzen können müssen. Man habe das Gutachten bereits an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, berichteten die Anwälte. Diese ermittelt wegen des Verdachts auf Betruges gegen Verantwortliche der Leonberger Firma Eurosolid, die den Solarpark entwickelt und betreut hatte. Eurosolid weist die Vorwürfe zurück. Gegen Verantwortliche der Versicherung wird nicht ermittelt.

Die Stuttgarter Versicherung schrieb auf Anfrage, man könne sich wegen des laufenden Verfahrens nicht zu Details äußern. Das Gutachten sei bereits Gegenstand einer Verhandlung vor dem Landgericht gewesen, man habe „eine Reihe von Fragen“ an den Gutachter formuliert. Zur rechtlichen Seite betonte die Versicherung, „dass das (mögliche) yqnzcbNichterreichen einer Prognose allein noch keine juristischen Konsequenzen hat“. Mit dem Solarpark beschäftigen sich inzwischen mehrere Kammern des Landgerichts Stuttgart.