Bei „Unser Star für Baku“ gab es zwar einige durchaus talentierte Kandidaten – gegen die schlicht langweilige Show kamen sie aber nicht an.

Stuttgart - Seien wir mal ehrlich: Der gemeine Fernsehzuschauer ist ein ziemlich unfreundliches Wesen, schadenfroh, überheblich, fies. Und wo findet er sein ideales Biotop? Richtig, bei Castingshows. Denn dort wird alles geboten, was dieser TV-Troll zum Überleben braucht – Kandidaten, die sich bis auf die Knochen blamieren, und Juroren, die jede Schwäche ihrer „Opfer“ ins Scheinwerferlicht zerren.

 

Nicht so bei „Unser Star für Baku“. In der ersten Ausgabe von Stefan Raabs neuer Show, bei der der deutsche Kandidat für den Eurovision Song Contest in Aserbaidschan gesucht wird, gab es einige talentierte Kandidaten und eine weichgespülte Jury, für die das kritische Limit schon bei „Das war nicht dein Song“ und „Ich weiß noch nicht, wer ist diese Jil Rock?“ erreicht war. Stattdessen hagelte es Lob: wunderschön, großartig, fehlerfrei.

Jetzt kann man natürlich durchaus berechtigte moralische und pädagogische Argumente anführen, warum eine qualitative Castingshow nur so und nicht anders aussehen darf. Trotzdem: Ein solches Format lebt nun einmal von den peinlichen Zwischenfällen und kritischen Kommentaren, bei denen man genüsslich entsetzt den Kopf schütteln kann. Erst dann ist dieses fiese Geschöpf auf der Couch, das noch nicht einmal ein simples Weihnachtslied fehlerfrei singen kann, zufrieden und mit sich und der Welt im Reinen.

Blitztabelle ohne Kribbeln

Vielleicht plätscherte Raabs Show deshalb auch so träge dahin, ohne dass die Zuschauer durch irgendwie geartete Höhepunkte aus ihrer Schläfrigkeit gerissen worden wären. Für ein gewisses Grausen sorgten höchstens die skurrilen Moderationsversuche von Steven Gätjen, der Sätze gegenüber den Kandidaten von sich gab wie "Die Hose passend zu den großen Eiern trägst du ja. Vielleicht wachsen sie ja noch." Auch Sandra Rieß glänzte nicht unbedingt in ihrer Moderatorenrolle, sie schien ihre Sätze schön brav vom Zettel abzulesen.

Dabei hatte Raab sich doch extra einen vermeintlichen Clou einfallen lassen, um Spannung zu kreieren – und wohl ganz nebenbei möglichst viel Geld in die Kassen von ARD und Pro 7 zu spülen: die Blitztabelle. Dabei handelt es sich um ein Echtzeit-Voting, bei dem alle eingehenden Anrufe ausgewertet und die Kandidaten ständig anhand ihrer Werte auf die Plätze eins bis zehn verteilt werden.

Das aufgeregte Kribbeln lässt jedoch schlagartig nach, sobald man die Vorhersagbarkeit des Ganzen erkennt: Die Werte der Kandidaten schnellen immer dann in die Höhe, wenn er oder sie gerade auf der Bühne steht oder einer der Juroren ihr Können kommentiert. Spannung pur. Das macht nicht gerade Hoffnung für die nächste Show in der kommenden Woche.