„Ich kann Müll nicht liegenlassen“, sagt der Martin Weißer mit Blick auf seine üppige Ausbeute, die er an diesem Tag in der letzten Ferienwoche allein auf dem Tobel aufgesammelt hat. Das ist einer der Hügel, von denen Mönsheim umgeben ist. Der CVJM hat dort sein Vereinsgelände, Bänke stehen am Rand des steilen Abhangs, der sich bis hinunter in den Flecken zieht. Die Aussicht auf den Ortskern und in das Grenzbachtal ist fantastisch, ein schöner Platz zum Verweilen. Aber auch eine Stelle, an der Menschen ihren Müll hinterlassen. Martin Weißer trifft bei seinen Rundgängen immer wieder darauf.
Eine ganze Batterie von Pfandflaschen und –dosen liegt bereits in seinem Fahrradanhänger. „Die habe ich früher zusammen mit dem übrigen Müll entsorgt“, erzählt er. „Aber heute bringe ich sie zurück, und das Pfand ist ein kleiner Beitrag zu den Kosten für mein E-Bike.“ Eine Menge Zigarettenkippen hat er ebenfalls bereits mit seiner Greifzange aufgesammelt. Aus dem abschüssigen Gelände am Tobel-Abhang angelt er große Pizzakartons, Kunststoffverpackungen aller Art, auch eine kaputte Wasserpistole liegt auf dem Müllhaufen, den er zusammengetragen hat. Alles kommt in einen großen Müllsack und weiter geht’s per Fahrrad zu den nächsten Stationen.
Wo schon etwas liegt, wird leicht noch etwas dazu geworfen
Der Paulinensee, ein beliebter Treffpunkt für Mönsheimer wie für Auswärtige ist eine davon. Dort sei das Müllaufkommen vor allem in seiner Anfangszeit vor fünf Jahren, als er mit dem Müllsammeln begonnen hat, besonders schlimm gewesen. Jede Menge gebrauchte Babywindeln und Einmaltücher hat er dort eingesammelt, Hundekottüten und Hausmüll. Auch der Parkplatz bei den Sportplätzen sei oft verdreckt gewesen, ebenso der danebenliegende Spielplatz. Leere Schnapsflaschen und Glasscherben im Sand habe er immer wieder gefunden. Doch inzwischen sei es dort überraschend sauber, so seine Beobachtung. Vielleicht liegt das auch mit an seinen Bemühungen für eine müllfreie Umgebung. „Ich habe den Eindruck, je länger ich das mache, desto weniger liegt rum.“ Damit zitiert er ein bekanntes Phänomen: Wo schon etwas liegt, wird leicht noch etwas dazu geworfen.
Am schlimmsten seien die Glasscherben, ob auf den Spielplätzen oder im Wald, wo er immer wieder unterwegs ist. Dort müsse man auch an die Waldbrandgefahr durch die Scherben denken. Gefährlich wird es ebenfalls für allerlei Kleintiere, wenn der an die Straßenränder geworfene Müll beim Mähen der Grünstreifen mit großen Maschinen ganz klein gehäckselt werde. Deswegen hält er bei seinen Radtouren zum Aufsammeln an der Straße manchmal an, „auch wenn ich dabei ein Ärgernis für manchen Autofahrer bin“, sagt er.
Dass der 64-Jährige dabei Vorsicht walten lässt, versteht sich von selbst. Denn in der Folge eines schweren Fahrradunfalls vor mehr als fünf Jahren, bei dem er mit einem Auto kollidierte, kam er überhaupt erst zu diesem ungewöhnlichen Hobby. Er erzählt von dem schweren Schock, den er erlitten hat und den langen Klinikaufenthalten. Eine Erwerbstätigkeit konnte der Maurermeister nicht mehr aufnehmen. „Ich war viel in der Natur unterwegs und hab immer kleine Tüten dabeigehabt und hier und da etwas Müll eingesammelt“, berichtet er davon, wie alles begann. Bald wurden die Mengen immer größer. „Am Anfang bin ich dann in der Morgendämmerung los, weil ich nicht wollte, dass mich jemand sieht“, sagt er und schmunzelt bei der Erinnerung daran. Zwei Stunden dauern die täglichen Runden. Nur bei Schnee und Glatteis verzichtet er darauf, sich auf sein Fahrrad zu schwingen.
Der Weg zurück ins Leben
Vor Kurzem sind Martin Weißer und seine Frau aus familiären Gründen nach Rutesheim gezogen. Doch mit Mönsheim, wo er 18 Jahre gelebt hat, sei er noch eng verbunden. Zwei Mal in der Woche fährt er für die Diakonie Mönsheimer Senioren morgens zur Tagespflege und nachmittags wieder nach Hause. Dazwischen hat er Zeit zum Müllsammeln. Wenn der Sack voll ist, radelt Martin Weißer zum Bauhof nach Wurmberg, wo er ihn abliefert. Auf die Frage nach dem Warum für sein außergewöhnliches Engagement antwortet er, dass er auf diesem Weg etwas für die Gesellschaft tun wolle. Umweltbewusst sei er schon immer gewesen, sagt der Hobbyfotograf, der seine Motive am liebsten in der Natur sucht. „Unsere Erde ist so schön, warum zerstören wir sie auf diese Art“, kritisiert er mit Blick auf den achtlos weggeworfenen Müll.
Aber noch einen Aspekt gibt es: „Durch das Müllsammeln, das Engagement bei der Diakonie und das viele Radfahren habe ich mein Leben nach dem Unfall wieder in den Griff bekommen.“ Bei seinen Sammelrunden habe er viele Kontakte geknüpft. Deswegen will er auch weiterhin bei fast jedem Wetter mit Fahrrad und Müllsack unterwegs sein. Und in seinem neuen Wohnort Rutesheim? „Manchmal hebe ich da auch etwas auf, wenn ich unterwegs bin“, sagt er vorsichtig. Aber vorerst wolle er Mönsheim treu bleiben. Die Kommune hat ihm für sein Engagement, das er ohne Unterstützung durch einen Verein betreibt, das Buchele, die höchste Mönsheimer Auszeichnung, verliehen.
Vom Bauhof Heckengäu, der die Gemeinden Mönsheim, Wimsheim und Wurmberg betreut, bekommt Martin Weißer die blauen Säcke. Die Mitarbeiter kümmern sich um die Müllentsorgung, erklärt Christian Kühnle. Der Bauhofleiter weist darauf hin, dass jeden Freitag in jeder der drei Gemeinden jeweils zwei Mitarbeiter unterwegs seien. um die mehr als geschätzt 150 öffentlichen Mülleimer zu leeren. Durchschnittlich einmal wöchentlich würden wilde Müllablagerungen gemeldet, um die sich der Bauhof ebenfalls kümmern muss. Und dann gibt es noch die jährlichen Müllsammelaktionen in den Kommunen. Doch selbst die Putzeten, an denen immer viele Bürgerinnen und Bürgern teilnehmen, werden Martin Weißer sicher auch in Zukunft nicht überflüssig machen.