Unstimmigkeiten über die Finanzierung eines alljährlichen Treffens im Lokal führen zu „Irritationen“ im Gemeinderat. Im Kern geht es darum, was aus der Gemeindekasse bezahlt werden darf.

Hemmingen - Weihnachtsessen allüberall: Mal lädt der Chef ein, mal treffen sich Kollegen beim Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. In Gemeinderäten ist es üblich, nach der letzten Sitzung des Jahres noch gemeinsam essen zu gehen. So auch in Hemmingen am Dienstagabend. Doch dabei fehlte die SPD-Fraktion. Absichtlich. Dahinter verbirgt sich ein Konflikt über die Finanzierung dieses als Dankeschön verstandenen lockeren Beisammenseins. Ein Konflikt, der gar nicht öffentlich bekannt werden sollte.

 

Um den Vorgang zu verstehen, muss man ausholen. Im Jahr 2011 hatte die Gemeinde Hemmingen, wie turnusmäßig üblich, die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) im Rathaus. Und deren Finanzexpertin hinterließ dann 2012 einen Hinweis, der Bewirtungen nach Gemeinderatssitzungen betraf: Mit den Sitzungsgeldern für die Gemeinderäte seien „sämtliche Ansprüche der Gemeinderäte abgegolten“. Das heißt, dass die Kosten für gemeinsame Essen der Gemeinderäte nicht aus der Gemeindekasse bezahlt werden dürfen, wie bis dato geschehen. Er habe das damals für fragwürdig gehalten, sagte der Bürgermeister Thomas Schäfer (CDU) unserer Zeitung. Einladungen der Kommunen an ihre Gemeinderäte zu Weihnachtsessen seien üblich. Er habe aber mit der GPA nach einer Lösung gesucht und diese dem Gemeinderat vorgeschlagen.

Zehn Euro werden einbehalten

Seither behält die Gemeinde monatlich von jedem Rat einen Anteil des Sitzungsgeldes ein und verwahrt diesen auf einem Sonderkonto. Aus diesem Topf werden dann die Bewirtungen bestritten. Am Anfang waren es 25 Euro; als man merkte, dass dies zuviel war, reduzierte man auf zehn Euro – die zuvor auf das Sitzungsgeld aufgeschlagen wurden. Geprüft wurde diese Kasse von Gemeinderäten, auch den stellvertretenden Bürgermeistern. All die Jahre ging das gut.

Doch in diesem Herbst äußerte eine SPD-Vertreterin des Prüfungsgremiums Bedenken. Denn bei den Weihnachtsessen waren stets auch der Bürgermeister sowie die Amtsleiter mit Partnern dabei. Vor dem diesjährigen Weihnachtsessen wollte es Schäfer genau wissen; er schaltete einen Steuerberater, das Landratsamt und die GPA ein. „Ich wollte Klarheit in Rechts- und Steuerfragen“, schildert der Rathauschef sein Ansinnen. Ergebnis, so Schäfer: Keiner hatte Bedenken. „Die Sache ist geprüft und es ist festgestellt, dass es sich nicht um einen geldwerten Vorteil handelt“, sagte ein Sprecher des Landratsamtes. Nach einem Gespräch mit SPD-Vertretern habe er dem Gemeinderat mitgeteilt, heuer werde die Verwaltung am Weihnachtsessen aber nicht teilnehmen, so Schäfer.

Das mobilisierte den CDU-Fraktionsvorsitzenden Walter Bauer. Er entwarf eine Einladung des Gemeinderats an Bürgermeister und Amtsleiter und betonte darin die Wertschätzung gegenüber der Rathausspitze. Alle trugen diese Einladung mit – außer der SPD. Das Ansinnen der Genossen sei „in höchstem Maße peinlich gegenüber der Verwaltung“, meint Bauer, und er erwähnt auch noch die Worte „provinziell“ und „kleingeistig“.

SPD beanstandet Sonderkasse

Die SPD habe beanstandet, dass die Sonderkasse nicht transparent genug sei, argumentiert ihr Fraktionsvorsitzender Wolfgang Stehmer. Die Fraktion halte es für bedenklich, wenn die Gemeinderäte die Amtsleiter und den Bürgermeister zum Essen einladen würden. „Darf das Ehrenamt Hauptamtliche einladen? Wir wollten das geklärt haben.“ Der Bürgermeister hätte den Anteil der Bediensteten aus dem Gemeindeetat bezahlen sollen. Die SPD-Fraktionsmitglieder würden von Januar an nicht mehr in die Sonderkasse einzahlen. „Unsere rechtlichen Bedenken wurden nicht ernst genommen“, sagt Stehmer. Dazu meint Bauer: „Wir unterstützen die SPD mit ihrem Ansinnen nach vollster Transparenz. Wenn die SPD das beantragt, diskutieren wir darüber öffentlich im Gemeinderat.“

Der GPA-Vizepräsident Markus Günther hat auf Anfrage unserer Zeitung zu den Gepflogenheiten in Hemmingen zwei interessante Dinge festgehalten. Zum einen sei die Sonderkasse legal, weil sie ein „rein privater Verfügungsfonds der Gemeinderäte“ sei. Zum anderen wäre das gemeinsame Weihnachtsessen des Gemeinderats aus heutiger Sicht auch legal aus der normalen Gemeindekasse zu finanzieren. Die Kosten für die Partner der Verwaltungsleute müssten allerdings privat bezahlt werden. Denn Ehefrauen oder -männer hätten bei diesem internen Anlass „keine offizielle Funktion“ – und damit auch keinen Anspruch, auf Kosten der Kommune zu speisen.

Zum Schluss der jüngsten Sitzung hielt übrigens der CDU-Rat Jürgen Arnold die routinemäßige Jahresabschluss- und Dankesrede für alle Fraktionen. Dabei entschuldigte er sich „im Namen der Mehrheit des Gremiums“ ausdrücklich für „die Irritationen“. Dann ging’s ins Lokal.