„Unten rechts“ ist eine subversive Glosse der StZ, die tagein, tagaus die Grenzen zwischen Journalismus und Literatur, zwischen Melancholie und Raserei spielerisch überwindet. Die besten Texte sind nun in Buchform erhältlich. Wir stellen Ihnen einige Glossen aus „Die Welt in 32 Zeilen“ vor. Heute: In der Schweiz.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Martin Gerstner (ges)

Stuttgart - Früher war die Schweiz ein einladendes und preisgünstiges Fleckchen Erde. Wer sie besuchen wollte, tankte in Deutschland, fuhr Sprit sparend im ersten Gang weiter und konnte für kaum 30 Euro noch an der Raststätte Gotthard Ost auf die Toilette gehen. Nach der Freigabe des Franken ist alles anders: Der deutsche Tourist hat, wenn er in die Schweiz einreist, im Schnitt 23 000 Euro in der Tasche, die er aber nicht vor dem Fiskus verstecken will. Er fährt in ein Zürcher Parkhaus (612 Euro), blickt auf die Alpen (88 Euro), isst eine Zervelatwurst (264 Euro) oder trinkt eine Ovomaltine für kaum 133 Euro.

 

So weit so gut. Schwierig wird es, wenn Probleme beim Schweiz-Urlaub auftreten. Wenn der Hotelier beispielsweise Migräne hat, kostet das Einzelzimmer tausend Euro mehr pro Nacht. Hat der Tourist Migräne, verkauft ihm der Notapotheker eine original Schweizer Schmerztablette zum Nachttarif für 233 Euro und teilt sie gegen Aufpreis in vier Stücke. Nur im Skitourismus läuft alles normal. Wie früher tauscht der Besucher sein Auto gegen einen Wochen-Skipass und bettelt abends um Küchenabfälle. Allerdings: Leihskier, Rösti und Hüttengaudi können jetzt nur noch mit Gold und Geschmeide bezahlt oder im Tausch gegen zehn Jungfrauen am Jungfraujoch erworben werden.

Die Welt in 32 Zeilen. Die besten Glossen der Stuttgarter Zeitung. Klöpfer & Meyer, 216 Seiten. ISBN 978-3-86351-417-4, 20 Euro.