Ausländer ohne Bleiberecht werden abgeschoben. Damit sie nicht vorher abtauchen, kommen manche in Abschiebehaft. Für eine zentrale Einrichtung hat das Land nun das Jugendgefängnis in Pforzheim renoviert. In der Stadt ist man skeptisch.

Pforzheim - Beim Umbau hat man sich zweifellos Mühe gegeben: frische Farbe an den Wänden, gelbe Vorhänge an den Zellenfenstern, ein Computerzimmer mit vier Rechnern – so wurde das ehemalige Jugendgefängnis mitten in der Pforzheimer Innenstadt auf seine neuen Insassen vorbereitet. Denn die sind, das wurde Innenminister Reinhold Gall (SPD) bei der Begehung am Freitag nicht müde zu betonen, „keine Straftäter“. Stattdessen sollen von diesem Wochenende an im ersten Abschiebegefängnis des Landes Menschen unterkommen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, und bei denen „der begründete Verdacht besteht, dass sie sich einer Abschiebung entziehen könnten“, sagte Gall. Vorerst sind dafür 21 Plätze vorgesehen, bis zum Frühjahr 2018 sollen es 80 werden.

 

Die Abschiebehaft wurde im Land freilich schon vorher praktiziert: Die meisten abgelehnten Asylbewerber saßen dabei in Mannheim ein, dort war Platz für 64 Personen. Doch diese Praxis war 2014 vom Europäischen Gerichtshof gekippt worden: Demnach dürfen Abschiebehäftlinge nicht zusammen mit Strafgefangenen untergebracht werden. Und sie haben Anspruch auf bessere Haftbedingungen. Im Schnelldurchlauf musste Galls Ministerium einen neuen Standort suchen.

Von Pforzheim aus sind die Flughäfen gut zu erreichen

In Pforzheim wurde man fündig – in erster Linie wegen der guten Anbindung an die Flughäfen Stuttgart, Frankfurt und den Baden Airpark. Die Pforzheimer reagierten wenig begeistert: Das Gefängnis liegt mitten in einem dicht besiedelten Wohngebiet nahe dem Bahnhof und noch dazu in einem Stadtteil, der ohnehin genug Probleme habe, wie OB Gert Hager (SPD) beklagte. Gall sieht dagegen keinen Grund für Beschwerden: „Hier war ja bereits ein Strafvollzug angesiedelt.“ Mit dem Umbau, der bis zur endgültigen Fertigstellung sieben Millionen Euro kosten soll, ändere sich für die Anwohner faktisch nichts.

Innenminister Reinhold Gall (SPD) bei der Begehung. Foto: dpa
Der Innenminister geht davon aus, dass die 80 Plätze für Baden-Württemberg ausreichen werden. Schließlich handle es sich bei der Abschiebehaft um eine „ultima ratio, die immer von einem Richter angeordnet werden muss“. Dass abgelehnte Asylbewerber vor ihrem Abschiebetermin untertauchen, komme zwar immer wieder vor – es sei aber keinesfalls die Regel, wie man im Innenministerium betont. So erfolgen Abschiebungen meist ohne Ankündigung: Die Betroffenen werden nachts von der Polizei abgeholt und direkt zum Flughafen gebracht. Wer allerdings einmal untergetaucht ist, taucht nicht so leicht wieder auf – auch deshalb dürften die Zahlen gering sein. Am liebsten ist dem Minister natürlich die freiwillige Ausreise: Im Januar und Februar 2016 hätten etwa 1000 Personen Rückkehrhilfen angenommen und seien freiwillig ausgereist, sagt Gall. Außerdem seien im ersten Quartal bereits 740 Ausländer regulär abgeschoben worden. Gleichzeitig geht man im Ministerium allerdings von rund 25 000 Ausreisepflichtigen im Land aus. Dabei stünden oft Krankheit oder ungeklärte Identitäten einer Abschiebung im Weg. „Das ist nicht so einfach, wie manch einer das im Wahlkampfmodus gerne dargestellt hat“, sagte Gall.

Man will den Menschen den Abschied nicht unnötig erschweren

Den Menschen, deren Traum von einem Leben in Deutschland geplatzt ist, will man den Abschied in Pforzheim nicht unnötig schwer machen. „Aus Zellen werden Zimmer“ sei der Leitspruch für den Umbau gewesen, sagt Gall. Auf jedem Gang gibt es eine Gemeinschaftsküche, in der die Insassen eigene Gerichte kochen könnten. Hans-Peter Paukner, der Leiter der Einrichtung, erklärt: „Unsere Zimmer sind nicht kleiner als in einem Vertreterhotel“. An der Haftsituation ändert das freilich wenig – ebenso wie an den eingespielten Gefängnisroutinen: „Um 7 Uhr ist Aufschluss, dann erfolgt die Lebendkontrolle“, sagt Paukner. Um „Selbstbeschädigungen“ zu verhindern, setze man auf spezielles Plastikbesteck.

Kinder sind in diesem Umfeld nicht eingeplant, langfristig können aber auch Familien in Pforzheim untergebracht werden. „Das streben wir natürlich nicht an“, betont Gall. Meist reiche es aus, das Familienoberhaupt in Haft zu nehmen, dann reise die Familie freiwillig aus.