Unterbringung von Asylbewerbern in Leonberg Noch immer keine Geflüchteten im Seniorenheim

Wann die ersten Geflüchteten in das ehemalige Seniorenzentrum ziehen, ist noch ungewiss. Foto: Simon Granville

Von wegen „Anfang des Jahres“: In Leonberg verzögert sich die Unterbringung von Asylbewerbern im einstigen Haus am Parksee weiter. Grund dafür sind auch versäumte Fristen.

Leonberg: Marius Venturini (mv)

Ende November des vergangenen Jahres war noch von „Anfang 2024“ die Rede gewesen. Kurz nachdem der Landkreis Böblingen Nägel mit Köpfen gemacht hatte, war man dort davon ausgegangen: Im Januar oder Februar, spätestens März, können Geflüchtete ins ehemalige Seniorenzentrum am Parksee in Leonberg ziehen. Nun ist Mitte Juli – und das Gebäude ist nach wie vor leer. Beim Kreis hatte Dusan Minic, Dezernent für Jugend und Soziales, zwar betont, dass „kein fester Zeitplan“ existiere. Seine Aussage, dass es bestimmte Fristen gebe, die aber keine Monate seien, ist inzwischen jedoch deutlich widerlegt.

 

Stadt äußerte sich in der Vergangenheit nur recht schmallippig

Zur Einordnung: Der Landkreis muss das Haus vom Eigentümer mieten – der jedoch selbst für die notwendigen Umbauten sorgen und sich hierbei wiederum mit der Kommune abstimmen muss. Am Ende wird abgerechnet. Und das Baugenehmigungsverfahren läuft nach wie vor. Dazu gibt es sogar eine Aussage der Stadt Leonberg, die sich mit Statements zum Thema in der Vergangenheit gerne zurückgehalten hat – weil es sich um eine Angelegenheit des Landkreises handelt.

Stadt-Pressesprecher Sebastian Küster dröselt auf Nachfrage auf: „Der Antrag zur Nutzungsänderung ging Anfang April bei der Stadt Leonberg ein. Er war unvollständig.“ Darüber sei der Bauherr, in diesem Fall der Immobilien-Eigentümer Carestone, nur wenige Tage später unterrichtet worden, gepaart mit einer Anforderung der nötigen Unterlagen. „Weil eine Reaktion ausblieb, erinnerte die Stadt Leonberg vier Wochen nach Antragseingang den Bauherren noch einmal daran, die fehlenden Unterlagen einzureichen“, so Küster. Drei Wochen nach Erinnerung seien die Unterlagen schließlich angekommen.

Mechanismus zwischen Ämtern und Bürgern läuft noch.

Dann setzte sich der Mechanismus in Gang: Die jeweiligen Ämter der Stadt Leonberg, des Landratsamtes Böblingen und die Bürgerinnen und Bürger, die in unmittelbarer Umgebung der Anlage leben, wurden um Anhörung gebeten. „Die Frist zur Rückmeldung war Ende Juni. Bislang sind noch nicht alle nötigen Rückmeldungen eingegangen“, lautet Küsters vorläufiges Zwischenfazit. Von Carestone, einem der Big Player unter den Vermarktern von Seniorenwohn- und Pflegeimmobilien, gibt es zur Sache aktuell keine Antwort auf eine Anfrage.

„Alle Unterlagen dazu sind von unserem potenziellen Vermieter bei der Stadt als unterer Baurechtsbehörde eingereicht“, bestätigt Rebecca Kottmann von der Pressestelle des Böblinger Landratsamtes. Welche eventuellen Auflagen die zuständige Baurechtsbehörde dem Vermieter mache – und was für einen baulichen wie auch monetären Aufwand diese beim Landkreis beziehungsweise bei Carestone unter Umständen verursachen – „können wir erst absehen, wenn die Baugenehmigung zur Nutzungsänderung mit den entsprechenden Auflagen und Bedingungen vorliegt“.

Druck für den Landkreis ist unverändert hoch

Wie lange es nun noch dauert? Ungewiss. „Eine schriftliche Aussage zur Bearbeitungsdauer liegt uns nicht vor“, antwortet Rebecca Kottmann, „allerdings haben wir im Rahmen des großen Ortstermins mit sämtlichen Beteiligten den Zeitraum von drei bis fünf Monaten genannt bekommen.“ Dabei ist der Druck für den Landkreis, weitere Unterkünfte für Geflüchtete zu finden, nach wie vor unverändert hoch.

Für 24 Monate will der Landkreis das Gebäude von Carestone mieten – so der Plan. Bis 2017 befand sich die Immobilie noch im Besitz des Landkreises selbst. Als sich dieser aus dem Betrieb von Pflegeheimen zurückzog, verkaufte er es an den Münchner Investor Primus Concept. Von dort ging das Heim schließlich in die Hände von Carestone über. Zwischen der Gruppe mit Sitz in Hannover und dem Landratsamt ist offenbar bereits seit Ende 2023 alles klar. Trägerin des Heims war bis zum Schluss, Ende Februar 2023, die Samariterstiftung. 109 Menschen lebten in dem Seniorenheim. Nun sollen rund 200 Personen dort einziehen.

Indes ist das Vorhaben in Leonberg alles andere als unumstritten. Nach Bekanntwerden der Pläne organisierten Anwohner des angrenzenden Betreuten Wohnens Unterschriftensammlungen sowie eine Demonstration vor dem Rathaus. Das Hauptargument der Gegnerinnen und Gegner: Der Standort in direkter Nähe zu Leo-Center und Stadtpark sei komplett ungeeignet für die Unterbringung von Geflüchteten.

Gemeinderat stimmte geschlossen gegen die Pläne des Kreises

Und auch der Leonberger Gemeinderat stimmte geschlossen gegen die Pläne des Landkreises. Als Stimmungsbild wollten es Oberbürgermeister Martin Georg Cohn sowie die Stadträte verstanden wissen. Nur hatte dieses Votum keine bindende Funktion für den Landkreis, der schließlich klare Verhältnisse schuf.

Zum aktuellen Zeitpunkt beherbergt Leonberg insgesamt 604 Geflüchtete im Rahmen der Anschlussunterbringung. Sie leben entweder in dafür zur Verfügung gestellten Einrichtungen oder dezentral in Wohnungen, die von der Stadt Leonberg angemietet wurden. Zum Vergleich: Vor knapp einem Jahr waren es noch 204 Menschen gewesen. Insgesamt gibt es in Leonberg inklusive Teilorte 17 reine Geflüchteten – oder Obdachlosenunterkünfte. In der Kernstadt befinden sich diese etwa in der Böblinger Straße, in Gebersheim in der Carl-Zeiss-Straße und in Höfingen in der Hirschlander Straße. Hinzu kommen noch etwa 80 Wohnungen für die dezentrale Unterbringung.

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