Die Untere Apotheke in Waiblingen hat sich seit der Eröffnung für viele Feinschmecker zum Lieblingsort entwickelt. Das verwundert nicht, wie ein Besuch zeigt. Das Besondere: die enge Zusammenarbeit mit dem Gartenprojekt Remstalgarten.
Wir testen die besten Restaurants in Baden-Württemberg – Wir essen in außergewöhnlichen Kneipen, bodenständigen Landgasthöfen und ausgezeichneten Sternerestaurants. Heute im Test: die Untere Apotheke in Waiblingen.
Das Restaurant Untere Apotheke befindet sich im ersten Haus Waiblingens, das nach dem großen Stadtbrand 1634 neu errichtet wurde. Von 1640 bis 2017 war hier tatsächlich eine Apotheke beheimatet, und weil einfach jeder dieses Gebäude unter dem Namen Untere Apotheke kennt, wurde der von den Betreibern beibehalten. Schöne Geschichte: Die Legende besagt, dass im Vorgängerbau einst die Gebeine der Heiligen Drei Könige bei ihrer Überführung von Mailand Station gemacht haben sollen.
Seit Mai 2023 ist die Untere Apotheke Ziel von Foodies und Feinschmeckern. Schon optisch macht das Lokal was her: Der Raum ist mit vielen Grünpflanzen angenehm und einladend. In der offenen Küche kann man die Arbeit der Brigade beobachten. Die Musik ist lässig, auf der Toilette zwitschert es wie im Amazonashaus der Wilhelma. Manche nennen es „Neo-Bistro“, was durchaus passt, weil man hier den Bistro-Gedanken, der niederschwelligen Küche weiterdenkt. Und hier hat der Gast die Wahl zwischen à la carte und Menü.
Ja, die Untere Apotheke ist ein toller Ort. Viele Foodies berichten von ihren Besuchen hier, weil die Speisen so modern, aber auch niederschwellig, so geschmackvoll und einfach gut sind. Zusammengefunden haben hier zwei Menschen mit kulinarischen Sachverstand: Gastgeber ist Pablo Fernandez (38), der mit seinem Küchenchef Max Rebhorn (30) einen perfekten Partner am Herd hat. Max Rebhorn hat einen beachtlichen Werdegang. Seine Kochlehre macht er beim Nachbarn Bernd Bachofer in Waiblingen, arbeitet beim Naturkoch Stefan Wiesner in der Schweiz, bei Juan Amador in Wien und im Zauberlehrling in Stuttgart. Pablo Fernandez liebt die Gastronomie und das Reisen, arbeitet in der Tourismusbranche und Hotellerie. Das Gastgebertum liegt ihm, sein Traum war es stets, ein eigenes Restaurant zu eröffnen.
Beide eint eine eigene Vorstellung von Gastronomie: sehr gutes Essen, handwerklich gearbeitet, in einer entspannten Atmosphäre serviert. Und sie setzen auch in Sachen Gemüse eine neue Idee um. Ihr Ansatz nennt sich „Farm to Table“, und ist sehr begrüßenswert. Seit Frühjahr 2024 arbeiten sie mit dem Gartenprojekt Remstalgarten zusammen. So soll die Distanz zwischen Feld und Teller gering sein. Verwendet wird, was die Saison hergibt. Gemüse und Kräuter gedeihen auf dem Schmidener Feld in Zusammenarbeit mit dem Berufsbildungswerk Waiblingen, das junge Menschen mit besonderem Förderbedarf ausbildet. So sind Wörter wie regional, saisonal und eben auch sozial keine bloßen Worthülsen zu Marketingzwecken. Und die Auszubildenden des Berufsbildungswerks begleiten das Gemüse vom Setzling bis zum Produkt auf dem Teller.
Bei all den Vorschusslorbeeren bleibt natürlich die große Frage: Schmeckt es denn, was das junge Team hier zubereitet? Sie nennen es „europäische Küche“, was da mitten in Waiblingen passiert. Und das passt schon ganz gut, weil sie eben keine Scheuklappen aufsetzen. In der offenen Küche erspähen wir ein „Green Egg“, einen hochwertigen Keramikgrill, der zum Backen, Räuchern, Schmoren und Niedrigtemperaturgaren verwendet wird. Und tatsächlich: später erschmeckt man deutliche Rauchnoten.
Die Stimmung an einem Samstagabend ist entspannt und gut. Jeder Platz ist belegt. Der Negroni (13 Euro) ist ein guter Start, die Hauslimonade (4,90 Euro) unverschämt säuerlich und gut. Und auch die kleine, feine offene Weinauswahl überzeugt. Neben einem Weißburgunder von Wöhrwag steht auch ein mallorquinischer Can Axatrtell auf der Karte (0,2 l für 13 Euro).
Optisch ein wahres Vergnügen ist die Brunnenkressesuppe (18,50 Euro): das Beet an Frühlingsgemüsen und Kräutern mit gebackenen Radieschen, Babykarotten, Roggenbrot-Crumble, Wachtel-Soleei und molekularen Crème-Fraiche-Bubbles wird am Tisch mit der leuchtend grünen Suppe aufgegossen. Das ist aber nicht nur wunderhübsch anzuschauen, sondern schmeckt phänomenal gut. Grün ist auch die Trendfarbe bei der Jakobsmuschel (20,90 Euro), die eben ein leichtes Raucharoma aus dem Green Egg bekommt und mit Sauerampfer Velutée, grünem Apfel-Sellerie-Salat, Süßkartoffel und Blutampfer-Kresse serviert wird. Toll! Bei den Vorspeisen geht es schon wahnsinnig gut los.
Doch die Hauptgerichte können da locker mithalten: Die Scholle (36,90 Euro) wird in ihrem eigenen Saft pochiert und ist wahnsinnig zart. Dazu einen Sous-Vide-Rettich sowie Rettichsalat zu reichen, ist ungewöhnlich, aber sehr gut. Das Kartoffelpürée passt perfekt. Und auch das vegetarische Hauptgericht, das grüne Risotto (25,90 Euro), überzeugt: der Acquerello-Reis durfte ein Jahr reifen, die Kräutersaitlinge wurden auf den Grill gelegt, dazu Petersilie, Mönchsbart und eine leichte Buttermilchsauce. Herrlich!
Bei den Desserts mag man sich nicht entscheiden. Gut, dass wir zu dritt da sind: So dürfen es die Schokotarte (mit Brezel-Crunch, Schokoladen-Ganache Erdnüssen und Erdnuss-Brezel-Eis für 12,90 Euro), das Pistachio Eclair (13,50 Euro) mit einem fantastischen Joghurteis sowie die großartige Piemonteser Milchschnitte (12,90 Euro) sein. Man verlässt den schönen Raum mit einem wohligen Gefühl – und weiß, dass alle, die diesen Tipps leise ausgesprochen haben, damit wahrlich recht haben.
Untere Apotheke
Marktplatz 9, Waiblingen, Telefon 07151/ 206 09 91. Geöffnet Montag bis Donnerstag von 12:00 bis 14:30 und 18:00 bis 22:00, Freitag von 12:00 bis 14:30 und 18:00 bis 00:00, samstags von 18:00 bis 00:00 Uhr; www.untereapotheke.com
