Genau elf Jahre nach dem Untergang des Öltankers Prestige vor der galicischen Küste und der größten Umweltkatastrophe Spaniens spricht ein Gericht die drei Angeklagten praktisch frei.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

La Coruña/Spanien – Das Provinzgericht von La Coruña in Galicien im Nordwesten Spaniens fasst in seinem 263 Seiten langen Urteil noch einmal die Schäden zusammen: 63 000 Tonnen Schweröl entwichen aus dem Wrack des Öltankers Prestige und verseuchten knapp 3000 Kilometer Küste zwischen der Mündung des Flusses Miño an der spanisch-portugiesischen Grenze und dem Ärmelkanal in Nordfrankreich. 1137 Strände wurden von der Ölpest erfasst und 450 000 Quadratmeter Felsen vom Schlick überzogen. 170 000 Tonnen kontaminiertes Erdreich mussten weggeräumt werden.

 

Genau elf Jahre ist es her, dass die Prestige bei schwerer See vor der galicischen Küste auseinanderbrach. Am Mittwoch ist endlich das Urteil gegen die Angeklagten gefallen. Doch wer das Urteil liest, muss zu dem Schluss kommen: Es gab keine Verantwortlichen. Die Katastrophe war Schicksal.

Der einzige Schuldspruch ist eher symbolisch

Der einzige Schuldspruch des Gerichts in der Hafenstadt La Coruña trifft den heute 78-jährigen griechischen Kapitän der Prestige, Apostolos Mangouras. Wegen Befehlsverweigerung erhält er eine neunmonatige Gefängnisstrafe, die er jedoch nicht absitzen muss. Mangouras hatte sich nach seinem ersten SOS-Ruf am 13. November 2002 anfänglich geweigert, sein Schiff aufs offene Meer hinauszusteuern, wie es die spanischen Hafenbehörden von ihm verlangten. Nach drei Stunden kam er dem Befehl schließlich doch nach. Sechs Tage später brach der Tanker etwa 250 Kilometer vor der galicischen Küste auseinander und verlor den größten Teil seiner Ladung von 77 000 Tonnen hoch schwefelhaltigen Schweröls.

Eine der Fragen, die das Gericht zu klären hatte, war genau diese: ob die Behörden die richtige Entscheidung trafen, als sie die Prestige aufs offene Meer hinausschickten. Hätte das Schiff stattdessen einen Hafen angesteuert, wäre das Desaster möglicherweise harmloser ausgefallen. Doch das Gericht fand, die Entscheidung sei vielleicht „diskutabel, aber teilweise wirkungsvoll“ gewesen und keineswegs „unbesonnen“. Der einzige Angeklagte, der wegen seiner möglichen politischen Verantwortung vor Gericht saß, der damalige Generaldirektor der Handelsmarine, José Luis López-Sors, wurde freigesprochen.

Das Urteil lässt viele unzufrieden zurück

Bei der Frage nach dem Auslöser des Unglücks gibt sich das Gericht in La Coruña fatalistisch: „Niemand weiß mit Sicherheit, weder was die Ursache des Geschehenen gewesen sein kann, noch welches die angemessene Antwort auf die Notsituation gewesen wäre.“ Niemand könne ein „strukturelles Versagen“ des Tankers leugnen, doch ebenso habe im Verlaufe des Prozesses „niemand nachweisen können, wo es sich genau zugetragen hat und aus welchem Grund“. Die damals 26 Jahre alte Prestige sei im Besitz aller erforderlichen Dokumente gewesen, um „legal“ auf hoher See unterwegs zu sein.

Ein unbefriedigendes Urteil für viele. „Der Prozess zeigt, dass die politisch Verantwortlichen keinen Preis zahlen, dass die schuldigen Unternehmen keinen Preis zahlen und dass es keine Gerechtigkeit gibt, wenn es darum geht, die Umwelt zu verteidigen“, sagte etwa Raquel Montón von Greenpeace Spanien. „Ein trauriger Tag für Galicien“, kommentierte der linksnationalitische spanische Politiker Bieito Lobeira. Mit nur einem „Sündenbock“: dem verurteilten Kapitän.