Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Für Weilharter gibt es hingegen keine andere Welt. „Tunnelbauen ist wie Grippe. Wenn du den Virus hast, kriegst du ihn auch nicht mehr los.“ Den 57-Jährigen hat diese Krankheit schon weit herumkommen lassen. Vom Nahen Osten bis nach Norwegen war er schon im Einsatz. Und Stuttgart ist für ihn schon fast wie eine zweite Heimat geworden. Der Cannstatter Tunnel ist die achte große Baustelle, auf der er in der Region arbeitet. Er war dabei, als sie die S-Bahngleise unter dem Hasenberg hindurch hinauf nach Vaihingen gelegt haben, hat am Flughafen auf den Fildern Versorgungskanäle gebaut und die Stadtbahntunnel nach Degerloch, auf den Killesberg und unter dem Botnanger Sattel vorangetrieben. Als Bauleiter ist er nicht mehr ganz so oft unter Tage, wie er es eigentlich gerne hätte; im Gegenzug findet er aber nach Feierabend auch noch Zeit und Kraft aufs Fahrrad zu sitzen. Weilharter hat auf diese Weise den Kräherwald erkundet, ist bis zum Schloss Solitude und dem Bärenschlössle vorgedrungen. „Da kann man sich den Kopf frei treten“, sagt er. Offenkundig ist er mit dieser Taktik nicht allein. Der überdachte Fahrradabstellplatz im Containerdorf ist ziemlich gut gefüllt.

 

Zunehmend sind Osteuropäer am Werk

Die Wohnunterkünfte, die nun in Stuttgart aufeinandergestapelt stehen, waren zuvor am Gotthard-Basistunnel im Einsatz. Doch auch bei den Eidgenossen haben bevorzugt Österreicher zu den Bewohnern gezählt. Die Männer aus der Alpenrepublik sind weltweit als Tunnelbauer gefragt. Das macht sie zu Nomaden. Dieses unstete Leben, die harte Arbeit und die Höhe der Entlohnung, die nach Weilharters Worten schon mal besser gewesen ist, führt zu Nachwuchsproblemen in der Branche. Die zwei Söhne von Weilharter haben sich nicht für die Profession des Vaters erwärmen können. Der zweifache Vater und dreifache Großvater nimmt’s mit einem Achselzucken hin. Auch der restliche österreichische Nachwuchs ist eher zurückhaltend, wenn es darum geht, fern der Heimat unter Tage neue Verkehrswege zu bahnen. In die Lücke springen zunehmend Firmen aus Osteuropa. Am Cannstatter Tunnel sind Subunternehmer aus Ungarn und Polen am Werk. „Denen bringen wir bei, was wir alles draufhaben, und am Ende sind sie günstiger“, beschreibt Weilharter das Dilemma.

Derweil ist Günter Laggner unter Tage schon wieder voll in seinem Element. Der Tunnelbau muss weitergehen. Langweilig werde es trotz der immer gleichen Arbeitsabläufe nicht, beteuert er. An diesem Tag sind er und seine Kollegen vielleicht sogar noch ein bisschen motivierter. Tags zuvor haben sie den ersten Durchschlag unter dem Kriegsberg gefeiert, nun steht die Weihnachtspause an. Bis nach Neujahr oder gar Dreikönig ruht der Betrieb. Dann kehren Laggner und Co wieder zurück, um sich dorthin zu graben, wo vor ihnen noch keine Mensch gestanden hat.