Etliche Städte und Gemeinden im Kreis Göppingen lassen den Landrat bei der Unterbringung von Flüchtlingen im Regen stehen. Doch das könnte sich jetzt ändern. Stimmen für ein Asylbündnis werden laut.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Not macht erfinderisch. Das Sprichwort gilt auch für die Landkreisverwaltung. Um die Asylbewerber, die in wachsender Zahl dem Kreis zugewiesen werden, unterzubringen, hat Hans-Peter Gramlich schon viele Ideen gehabt. Auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei in Göppingen hat der Sozialdezernent des Landkreises einen möglichen Standort für eine Sammelunterkunft ausgemacht. Leider hatte die Polizei Sicherheitsbedenken. Über eine vorübergehende Unterbringung in der Göppinger Jugendherberge hat er ebenso nachgedacht. Das erwies sich als zu teuer. Und dann war da noch die Idee mit den freien Zimmern in der Klinik am Eichert. „Aber da habe ich mir schon selbst gesagt: das passt nicht zusammen“, räumt Gramlich ein.

 

Erst Befürchtungen, dann Hilfsbereitschaft

Also schaltete er Anzeigen. So konnte er ein Mehrfamilienhaus in Schlierbach anmieten. Seither hat der 3800-Einwohner-Ort ohne eigenes Zutun prozentual die meisten Asylbewerber im Kreis untergebracht, was zunächst bei der Gemeindeverwaltung und der Bevölkerung für Irritationen sorgte. „Es gab viele Befürchtungen“, sagt der Gemeinderat August Leins (FUW), der selbst ganz in der Nähe des Heims wohnt. Erstaunlicherweise hat sich das alles schnell in Wohlgefallen aufgelöst, auch weil die Kreisverwaltung der Bitte nachkam, vor allem Familien in der Wohnstraße unterzubringen. „Das passt hierher“, stellt Leins fest. Kleine Buben fahren nun mit gespendeten Rädle durch den Ort. Im neugegründeten Arbeitskreis Asyl kümmern sich fast 50 Schlierbacher um die Neuankömmlinge, die überwiegend aus Syrien stammen.

Unterkünfte im Kreis - große Heime, kleine Heime, weiße Flecken (für eine größere Ansicht klicken Sie auf die Grafik)

Das Unterbringungsproblem ist damit aber nicht beseitigt. Allein in diesem Monat, das wurde dem Kreis vom Land bereits übermittelt, werden weitere 95 Asylbewerber kommen. Zwar werden Adelberg, Birenbach, Bad Boll, Deggingen, Donzdorf, Eislingen, Geislingen und Heiningen bis zum Jahresende fast 100 Plätze schaffen, doch auch dies wird nicht reichen. Die Situation bleibe prekär, sagt der Leiter des Aufnahmeamtes, Marco Lehnert. Nach wie vor gibt es etliche Gemeinden, die sich überhaupt nicht an der Aufgabe beteiligen. Der Kreis hat keine gesetzliche Handhabe, sie zu zwingen, Unterkünfte bereit zu stellen. Allerdings gibt es bei den Bürgermeistern Bewegung. „Ich fände es besser, wenn wir uns in einem Bündnis auf feste Quoten für jede Gemeinde gemäß ihrer Größe einigen“, sagt der Bad Ditzenbacher Bürgermeister Gerhard Ueding.

Tunnelarbeiter brauchen auch Platz

Wie ein solches Bündnis, das sich auch der Landrat Edgar Wolff wünscht, juristisch aussehen könnte, ist noch offen. Und manche sind auch skeptisch. „Wir haben momentan nur eine städtische Wohnung und die brauchen wir voraussichtlich für eine Familie, die vor der Obdachlosigkeit steht“, sagt der Wiesensteiger Bürgermeister Gebhard Tritschler. Die alte Hauptschule sei mittlerweile durch ein Ingenieurbüro belegt, das die Tunnelarbeiten für die Neubaustrecke betreue. Diese Baustelle sorgt auch im benachbarten Hohenstadt für Wohnungsknappheit. Mehr als 100 Arbeiter sind dort im vergangenen Jahr zugezogen. „Man muss auch immer die örtlichen Begebenheiten sehen“, sagt Tritschler. Letztlich könnten sowieso nur die größeren Städte das Problem lösen.

Tatsächlich haben sich auch größere Orte im Kreis, die schon immer kleinere Flüchtlingseinrichtungen hatten, offenbar auf den bestehenden Zahlen ausgeruht. „Göppingen ist vorbildlich. Wir haben Nachholbedarf“, räumt der Geislinger Oberbürgermeister Frank Dehmer ein. Und auch der Eislinger Sozialbürgermeister Herbert Fitterling sieht die großen Kommunen „sicherlich stärker in der Bringschuld“. Dies sei jedoch kein Grund, dass sich die Kleinen aus der Verantwortung stählen. Und auch Dehmer findet: „Wir brauchen eine solidarische Lösung.“