In Remseck und Gemmrigheim sollen möglichst viele Unterkünfte für kleine Tierchen aus dem Boden schießen. Allerdings: Ware von der Stange ist hierbei selten eine gute Lösung.

In einem Ökosystem muss ein Rädchen ins andere greifen. Sonst droht es, an die Wand zu fahren. Genau dieses Horrorszenario könnte laut Experten folglich blühen, wenn das Insektensterben nicht gestoppt wird. Daher wollen Remseck und Gemmrigheim nun in groß angelegten Aktionen ihren Teil dazu beitragen, dass Kleinsttiere sich wieder stärker vermehren können. Ein wichtiger Baustein bei beiden Strategien, die jeweils Azubis aus der Verwaltung im Rahmen eines Klimaschutz-Wettbewerbs ersonnen haben, ist die Installation von möglichst vielen Insektenhotels.

 

Gemmrigheim soll summen

„Unser Grundgedanke ist, ein Gemeinschaftsprojekt daraus zu entwickeln und alle gesellschaftlichen Gruppen mitzunehmen“, erklärt die Gemmrigheimer Haupt- und Ordnungsamtsleiterin Bärbel Petters, die den Auszubildenden bei dem Vorhaben zur Seite steht. Man wolle Senioren, Schulen, Geschäftsleute, Vereine und andere Gruppen dafür gewinnen, möglichst viele Insektenhotels aufzubauen, aber auch Blühwiesen anzulegen oder brach liegende Flächen in den Weinbergen mit Blühpflanzen zu bestücken. „Dabei zählt jede Parzelle. Die Umsetzung kann auf einem großen Grundstück, einer landwirtschaftlichen Fläche oder einem Balkon erfolgen“, sagt Petters.

Die Pflege von bunten Wiesen sei sogar weniger arbeitsintensiv, als einen englischen Rasen zu trimmen. Obendrein seien solche Areale hübscher anzuschauen. Die Kommune selbst habe im vergangenen Jahr bereits eine Blühfläche angelegt, weitere sollen folgen. So öffne sich eine breite Speisekarte für Insekten, die ihrerseits wiederum Nahrung für andere Tiere darstellten.

Was die Insektenhotels anbelangt, so kümmere sich der Bauhof darum, ein Modell zusammenzuzimmern, das bei passender Witterung 2023 aufgestellt werden soll, sagt Mentorin Petters, deren Azubis für ihr Projekt „Summendes Gemmrigheim“ bei dem Klimaschutzwettbewerb auf Landkreisebene den ersten Platz einheimsten.

Wählerische Wildbienen

Andrea Lehning vom BUND Marbach-Bottwartal gibt allerdings zu bedenken, dass die Insektenhotels für sich nur einen überschaubaren Nutzen hätten. „Entscheidend ist, wo sie aufgestellt werden. Es muss auch ein Nahrungsangebot drum herum geben. Erst in dem Zusammenspiel können sie ihre Wirkung entfalten“, so die BUND-Vorsitzende. „Außerdem sollte man sich zunächst darüber Gedanken machen, welche Insekten man überhaupt fördern möchte. Denn davon hängt ab, wie die Hotels bestückt sein und welche Pflanzen in der Umgebung wachsen sollten“, erläutert die Biologin. Wildbienen seien beispielsweise auf bestimmte Gewächse spezialisiert. Manche Arten seien auch auf Sand- oder Bodenlöcher angewiesen, weshalb sie mit einem Insektenhotel von der Stange nichts anfangen könnten.

Am besten sei es also, selbst unter die Bauherren zu gehen. „Als Kammern kann man dafür zum Beispiel Schilfhalme verwenden. Wichtig ist, die Hölzer in die richtige Richtung auszurichten und die Löcher so groß zu bohren, wie sie von den Insekten benötigt werden, für die das Hotel gedacht ist“, sagt Lehning. Wovon die Expertin komplett abrät, ist, Tannenzapfen zu verwenden. „Davon haben die Insekten nichts“, sagt sie.

Ein Hotel für jeden Kindergarten

Ratschläge wie diese wird man sich vielleicht auch in Remseck zu Herzen nehmen, wo sich Azubis ebenfalls an dem Wettbewerb beteiligt hatten, über den der Nachwuchs in den Rathäusern für den Naturschutz sensibilisiert werden soll. Unter dem Motto „Remspiriert mit Insektenhotel“ soll hier auf der Gemarkung ähnlich wie in Gemmrigheim der Bau der Beherbergungsbetriebe für die fliegende und krabbelnde Kundschaft forciert werden. „Ziel ist es, an jedem Kindergarten und an jeder Schule ein Insektenhotel aufzustellen. Selbstverständlich wird auch ein Insektenhotel auf der Dachterrasse des Rathauses platziert“, berichtet Pressesprecher Philipp Weber.

Die Azubis werden die Häuschen unter Mithilfe kundiger Mitarbeiter der Stadt weitgehend selbst zusammenschrauben. Die Hotels sollen hauptsächlich aus Naturmaterialien bestehen. Auf Tuchfühlung zu den Unterschlupfmöglichkeiten sollen Blühtonnen mit verschiedenen Blumen aufgestellt werden. Weil bei dem Projekt die ganze Bürgerschaft mit ins Boot geholt werden soll, wird dafür unter anderem auf den Social-Media-Kanälen getrommelt. Eine Bauanleitung für die Hotels werde man auf der Homepage der Stadt finden, kündigt Weber an.

Auf Verkehrsinseln soll Leben einkehren

Das Engagement der Kommune für den Naturschutz soll sich nicht darauf beschränken, in den Betrieb von Insektenhotels einzusteigen, beteuert Weber. So sollen versiegelte Verkehrsinseln künftig insektenfreundlich gestaltet werden. Zudem habe man sich „bei dem Projekt ,Natur nah dran’ beworben. Falls die Stadt einen Zuschlag bekommt, ist angedacht, in jedem Stadtteil eine Blühwiese in der Nähe von Schulen- und Kindergärten in Kooperation mit diesen anzulegen“, so der Pressesprecher.

Und klar: Auch diese bunten Oasen würde man mit Häuschen bestücken, in denen Wildbienen, Hummeln, Käfer und Co. brüten und überwintern können.

Der Weg zum eigenen Hotel

Erklärung
Anleitungen zum Bau von Insektenhotels und worauf man dabei achten muss findet man unter anderem auf der Homepage des BUND Baden-Württemberg. Ein Erklärvideo gibt es auch beim Nabu unter www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/insekten-helfen/00959.html.

Wettbewerb
Bei dem Projekt „Kommunale Klimascouts – Azubis für mehr Klimaschutz“ wird der Nachwuchs in den Rathäusern in Sachen Klimaschutz fit gemacht. Teil der Aktion ist, dass die Auszubildenden eigene Ideen entwickeln, von denen die Umwelt profitiert. Am besten gefiel einer Jury das Projekt „Summendes Gemmrigheim“, das somit auf Landkreisebene den ersten Platz belegte.