Der Ministerpräsident rechnet mit einem tieferen Einschnitt als in der Finanzmarktkrise 2008 und entwickelt ein weiteres Corona-Hilfspaket. Die Firmen hoffen auf Zuschuss bei der Azubivergütung.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will für die Südwestunternehmen ein Corona-Hilfsprogramm für die Phase nach der Soforthilfe auf die Beine stellen. Das geht aus einem Brief an die Kabinettsmitglieder hervor, der unserer Zeitung vorliegt.

 

Mit Andauern der Pandemie zeige sich, welche Wirtschaftsbereiche durch die Krise besonders betroffen seien, schreibt Kretschmann: „Vor diesem Hintergrund sehe ich die dringende Notwendigkeit eines stringenten und wirkungsvollen Pakets für Baden-Württemberg, um in einer zweiten Phase weiter schnelle und zielgerichtete Hilfestellung geben zu können.“

Eckpunkte des Pakets sollen demnach am 19. Mai beschlossen werden. Gespeist werden soll das Paket aus den 6,2 Milliarden Euro, die dem Land zur Verfügung stehen, um die Folgen der Corona-Krise abzumildern. Die Summe setzt sich zusammen aus 1,2 Milliarden Euro aus der der Rücklage für Haushaltsrisiken und weiteren fünf Milliarden Euro, die das Land an neuen Krediten aufnehmen kann.

Im März hatte das Land ein Soforthilfeprogramm für kleine Betriebe und Soloselbstständige aufgesetzt. Bisher liegen rund 240 000 Anträge vor, mehr als 1,6 Milliarden Euro wurden bereits bewilligt. Zudem hat Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) Hilfen für die Gastronomie und die Start-ups im Land konzipiert. Ein weiteres Soforthilfe-Programm für Unternehmen mit 51 bis 100 Beschäftigten ist in Planung. Die Soforthilfen sind zeitlich begrenzt.

Kretschmann will alle Maßnahmen zur Krisenbekämpfung bündeln

Nun will Kretschmann für die zweite Phase der Krisenbekämpfung alle weiteren Maßnahmen aus den Ressorts bündeln, um ein „umfassendes, passgenaues Corona-Hilfspaket“ auf den Weg zu bringen. Daher hat er die Minister aufgerufen, ihm bis Mittwoch ihre Pläne für weitere Hilfsmaßnahmen zu senden. „Dass der Ministerpräsident sich für diese Planungen interessiert, ist erfreulich, und gerne werden wir über die bisherigen Informationen im Ministerrat hinaus unsere Überlegungen auch noch schriftlich an das Staatsministerium herantragen“, sagt Hoffmeister-Kraut. „Die Ressorthoheit bleibt davon unberührt.“ Sie kündigte weitere Konzepte für den Bereich Digitalisierung und eine Verstärkung der Bürgschaftsprogramme der L-Bank an.

„Wir müssen nach der Soforthilfe da unterstützen, wo die Not am größten ist und die Hilfe wirkt“, sagt Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne). „Vom Bund erwarten wir weitere konkrete Hilfen.“

Bei den Betrieben ist die Lage ernst. „Die Mittelständler verfügen noch über eine begrenzte Zeit über Mittel aus Liquiditätshilfen oder Rücklagen“, sagt Johannes Schmalzl, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart. „Wenn in einigen Monaten aber der Motor nicht wieder anspringt, erleben wir hier ein massives Problem mit Insolvenzen und Arbeitslosigkeit.“ Er setzt sich dafür ein, dass sich das Land sich an der Vergütung der Azubis beteiligt, wenn die Firmen zusichern, in der Notlage keine Azubi-Stellen zu streichen. Zudem fordert er das Land auf, bei landeseignen Immobilien für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten auf die Hälfte der Mieten zu verzichten, wenn die gewerblichen Mieter durch die Krise besonders betroffen sind. „Wenn aus den zehn Millionen Kurzarbeitern nicht zehn Millionen Arbeitslose werden sollen, brauchen wir zudem Kaufprämien für die Autoindustrie.“