EADS schaut sich mit gut gefüllter Kasse in Amerika um. Über den Erfolg des Konzerns entscheidet immer stärker die Tochter Airbus.  

Stuttgart - Louis Gallois gelingt der Spagat. Mit diplomatischem Geschick liest der Vorstandschef des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS seinen Anteilseignern aus Frankreich und vor allem aus Deutschland die Leviten. "Unsere Mitarbeiter wollen wissen, wer unsere Anteilseigner sind und was sie vorhaben", sagt der Franzose bei der Bilanzvorlage in München und schiebt noch einen Satz hinterher. "Wir brauchen eine nachhaltige Lösung, kein Arrangement nur für ein paar Jahre." Mehr könne er zum Eignerthema nicht sagen, ohne unhöflich zu werden. Es ist auch so klar genug.

 

Der Stuttgarter Großaktionär Daimler will einen Teil der von ihm kontrollierten 22,5 Prozent an EADS verkaufen und ringt seit Wochen mit der Bundesregierung, die selbst nicht einsteigen will, um eine Lösung. Auch andere deutsche Konzerne zeigen eine kalte Schulter und wollen sich nicht in die Pflicht nehmen lassen.

In Frankreich, wo der Staat bereits 15 Prozent der EADS hält, will der industrielle Eigner Lagardère seine 7,5 Prozent abgeben. Dort steht der Staat als Käufer bereit, weil Frankreich den Flugzeugbauer und zweitgrößten Rüstungskonzern Europas schon lange unter eigene Kontrolle bringen will. Das hat aber bisher ein fragiles Machtgleichgewicht zwischen deutschen und französischen Eignern verhindert. Die EADS werde keine eigenen Aktien aufkaufen und damit das Problem lösen, stellte Gallois klar. Sein Konzern steht vor wichtigen Entscheidungen und braucht auch von daher Klarheit in der Eignerfrage.

Im Fokus sind vor US-Rüstungsfirmen

Weil die Geschäfte im Jahr 2010 besser als anfangs geplant gelaufen sind, verfügt die EADS nun über eine Kriegskasse freier Mittel von fast zwölf Milliarden Euro. Die sollen auch in größere Zukäufe fließen, vorzugsweise "in der westlichen Hemisphäre, jenseits des Atlantiks", wie sich der deutsche Finanzchef Hans Peter Ring ausdrückte. Zwei Milliarden Euro seien dafür keine "magische" Größenordnung.

Im Fokus sind vor allem US-Rüstungsfirmen. Weil die staatlichen Verteidigungsetats in den europäischen EADS-Heimatmärkten unter Sparzwängen stehen, müsse der Konzern am weltgrößten Rüstungsmarkt in den USA ein Standbein aufbauen, sagte Gallois. Erste Auswirkungen diesseits des Atlantiks gedrosselter Wehrbudgets seien schon sichtbar. So hat sich der Auftragseingang der EADS-Rüstungssparte Cassidian 2010 auf 4,3 Milliarden Euro halbiert. In der auch von staatlichen Auftraggebern dominierten Raumfahrteinheit Astrium sind die Bestelleingänge um gut ein Viertel auf sechs Milliarden Euro gefallen. In beiden Bereichen werden jetzt "Transformationspläne" geschmiedet, der wohl vor allem bei Cassidian Stellen zum Opfer fallen. Noch sei nichts entschieden, und man werde erst die Belegschaften informieren, sagte Gallois. EADS beschäftigt weltweit 121700 Personen.

Wieder in die Gewinnzone gebracht hat den Konzern 2010 vor allem die Tochter Airbus. Dort brummt das Geschäft. Die Bestellungen haben sich auf 68 Milliarden Euro fast verdreifacht. Konzernweit verfügt die EADS über einen fast nur auf Airbus zurückgehenden Rekordauftragsbestand von fast 450 Milliarden Euro.

Airbus soll Zugpferd bleiben

Lediglich hausgemachte Probleme bei Großprojekten wie dem Militärtransporter A400M und dem weltgrößten Passagierflugzeug A380 sorgen dafür, dass die Profitabilität noch hinterherhinkt. Immerhin ist die EADS nach 763 Millionen Euro Verlust voriges Jahr wieder mit 553 Millionen Euro in die Gewinnzone zurückgeflogen. Das erlaubt 22 Cent Dividende, nach einer zuvor ausgefallenen Ausschüttung. Die Umsätze wuchsen 2010 um sieben Prozent auf 45,8 Milliarden Euro.

Ziel bis 2015 sei ungefähr eine Vervierfachung der operativen Umsatzrendite, sagte Ring. 2011 sollen die operativen Gewinne bei steigenden Umsätzen noch auf dem Vorjahresniveau von 1,3 Milliarden Euro verharren. Dabei soll Airbus mit 520 bis 530 (Vorjahr 510) ausgelieferten Flugzeugen das Zugpferd des Konzerns bleiben.

Interne Streitigkeiten

Wikileaks: Die US-Regierung ist in den zurückliegenden Jahren über Streitereien innerhalb des europäischen Rüstungskonzerns EADS laut Diplomatenberichten regelmäßig informiert worden. Die entsprechenden Dokumente aus den Jahren 2005 bis 2009 wurden der Enthüllungsplattform Wikileaks zugänglich gemacht. Darin wird der Mutterkonzern des Flugzeugbauers Airbus als ein Hort häufig hinterhältiger Streitigkeiten zwischen den Partnerländern porträtiert. So hätte sich ein deutscher EADS-Manager erfreut gezeigt, als Großbritannien seinen Airbus-Anteil verkaufte: „Gut, dass wir die los sind.“

Üble Nachrede: Über BAE Systems hielten die Briten 20 Prozent an EADS. Der US-Konsul in München zitierte „hochrangige EADS-Manager“ mit einer Aussage von 2006: „BAE war sowieso ein schizophrener Partner, dem nie ganz klar war, ob er eine europäische oder quasi amerikanische Firma war.“ EADS und BAE arbeiten beim Raketenhersteller MBDA weiterhin zusammen. Die US-Regierung könnte sich für die Vorgänge bei der EADS auch deshalb interessieren, weil Airbus ein Konkurrent des US-Flugzeugherstellers Boeing ist. Mitte 2006 beherrschten den Berichten zufolge interne Konflikte EADS, an dem Deutschland und Frankreich zu gleichen Teilen beteiligt sind. Deutsche Manager hätten den früheren EADS-Co-Chef Noel Forgeard als „überambitionierten Irren“ beschrieben. Forgeard trat 2006 wegen Verzögerungen bei der A380 zurück.