Junge Familienunternehmer suchen den offeneren Umgang mit Mitarbeitern, das zeigte unter anderem eine junge Chefin auf einem Mittelstandskongress der Baden-Württemberg-Stiftung in Stuttgart.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Mal eine Stunde später in das Büro kommen – und dafür später gehen? Als die Unternehmertochter Sarna Röser beim Start in der Firma selber mit modernen, flexiblen Arbeitszeiten ernst machen wollte, sei das für ihren Vater zunächst gewöhnungsbedürftig gewesen. So etwas in einem schwäbischen Familienunternehmen mit 95-jähriger Tradition, der Firma Zementrohr- und Betonwerke Karl Röser & Sohn GmbH in Mundelsheim (Kreis Ludwigsburg), Bürozeiten von neun bis 17 Uhr – wieso sollte man daran rütteln? „Das war ein Thema, wo wir einmal einen Konflikt hatten.“

 

Diese Anekdote erzählte die 31-Jährige, künftige Firmenchefin als Auftaktrednerin auf dem von der Baden-Württemberg-Stiftung veranstalteten Kongress „Mission M – Mittelstand neu denken“ in Stuttgart. Die erstmals ausgerichtete Veranstaltung, soll junge Familienunternehmer aus dem Land versammeln, damit sie sich, so die Stiftung, für „Risikobereitschaft, Förderung und Fairness“ einsetzen.Röser, die als Bundesvorsitzende des Verbandes „Die Jungen Unternehmer“ auch auf dem politischen Parkett zu Hause ist, will für eine Generation sprechen, die in den Unternehmen nichts als selbstverständlich nimmt. „Generation Y“ nennt man die Gruppe der 18- bis 35-Jährigen. Und das „Y“ klingt im Englischen nicht zufällig wie das Fragewort „why“, zu deutsch „warum“. Feste Vorgaben widersprächen dem Lebensgefühl der begehrten jüngeren Fachkräfte, sagt Röser: „Warum machen wird das? Die Frage gibt es heute viel häufiger. Und wenn das Bestehende hinterfragt wird, kann das schon mal anstrengend sein – im positiven Sinne.“ Ein erfolgreiches Unternehmen definiere sich aber nicht darüber, was es mache, sondern warum.

Anstrengend – im positiven Sinne

Einen kleinen Abstrich macht sie allerdings bei der ihrer Ansicht nach leistungswilligen, jüngeren Generation: „Ich würde mir wünschen, dass die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen, noch stärker ausgeprägt wäre.“ Eine neue Generation der Familienunternehmer sei aber prädestiniert, gerade in kleineren und mittleren Familienunternehmen, den anstehenden Kulturwandel in der Wirtschaft zu bestehen, der unter der manchmal etwas schwammigen Überschrift der „Digitalisierung“ zusammengefasst ist. Dabei geht es um viel mehr als Technologie, wie auf dem zweitägigen Kongress deutlich wurde. Es geht um den anderen Umgang im Unternehmen, wo selbstständige und autonome Mitarbeiter wichtiger sind denn je.

Flexible Arbeitszeiten sind ein Muss

„Es muss für Mitarbeiter beispielsweise die Möglichkeit geben, sich in einer verlängerten Mittagspause um die Kinder zu kümmern und dafür dann am Abend, frisch motiviert, sich noch einmal an den Laptop zu setzen“, sagt Röser: „Es kommt auf das Ergebnis an, nicht auf die Arbeitszeit.“ Für ein Unternehmen aus der Baubranche ist das eine Revolution. „Sie können das sicherlich nicht an jedem Arbeitsplatz umsetzen: Ein Pförtner kann nicht von zu Hause arbeiten.“ Aber selbst in solchen Fällen könne man etwa über Arbeitszeitkonten nachdenken. Ein Hemmnis dafür sei nicht die Einstellung der Mitarbeiter oder der Unternehmen, die sich solche flexible Modelle wünschten. Es seien vielmehr gesetzliche Vorgaben wie etwa Mindestruhezeiten. „Dafür muss man die Politik noch mehr sensibilisieren“, fordert Sarna Röser.

Auch ein Betrieb wie der von Röser, der einen regionalen Markt in 150 Kilometern Umkreis versorgt, wandelt sich. Neuartige Baustoffe wie Carbonbeton oder die digitale Vernetzung von der Konstruktionszeichnung über die Bestellung bis hin zur Produktion krempeln das Geschäft um. „Wir haben einen Vorteil: Betonfertigteile aus China werden für uns nie eine Konkurrenz“, sagt Röser. Dafür sind diese Teile beim Transport schlichtweg zu schwer.

Die Modelle, mit denen die jüngere Unternehmergeneration ihre Firmen beweglicher machen will, sind vielfältig. Das zeigte viele Vorträge in Stuttgart. Es muss dabei nicht gleich so weit gehen, wie bei der in Stuttgart von ihrem „Leiter agiles Projektmanagement“ vorgestellten Firma Heermann Maschinenbau aus Frickenhausen im Kreis Esslingen – dort haben Mitarbeiter selbst bei der Stellenbesetzung in ihrem Team das letzte Wort.

Traditionelle Unternehmenskultur macht den Umbruch leichter

Im 50-Mitarbeiter-Betrieb, den Röser übernehmen will, nachdem sie bereits Erfahrungen mit der Gründung eines Start-ups gemacht hat, müsse man das Rad nicht neu erfinden. „In einem familiengeführten Betrieb ist der Umgang auf Augenhöhe doch schon immer vorhanden“, sagt sie. So sei in ihrem Unternehmen die Idee für eine 3D-Fräse von den Mitarbeitern selbst gekommen.

Erfolg definiere die Nachfolgegeneration in Familienunternehmen, von denen 6500 in ihrem Verband zusammengeschlossen sind, nicht durch Renditezahlen: „Es geht darum, dass man die Dinge ausprobiert, vielleicht scheitert und irgendwann Erfolg hat. Es ist wichtig, das Gefühl zu haben, angekommen zu sein und zu wissen, warum man jeden Tag aufsteht.“ Und im Idealfall bedeute das auch, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten..