Unternehmerin aus Albstadt redet Tacheles „Wir verwalten uns zu Tode“

Martina Bandte ist mit Herzblut Unternehmerin und engagiert sich im Branchenverband. Foto: Imelda Flaig

Martina Bandte, Präsidentin des Branchenverbands Gesamtmasche und Geschäftsführerin des Unterwäschelabels Nina von C sieht die Branche vor einer Weggabelung – nicht nur weil Online-Plattformen aus Fernost den Markt mit Billigmode überschwemmen.

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)

Für Martina Bandte ist das Glas halb voll und nicht halb leer, denn jammern ist ihre Sache nicht. „Ich bin ein positiver Mensch, sonst könnte ich nicht Unternehmerin sein“, sagt Bandte. Doch manchmal muss sie sich richtig ärgern und redet Tacheles. „Es gibt so was wie einen unternehmerischen Burnout“, sagt sie, denn viele kleine und mittelständische Unternehmen fühlten sich überfordert angesichts der zahlreichen Verordnungen und Gesetze, die mit schneller Nadel gestrickt seien. Das sorge für Frust und raube Energie. Die Politik sollte ihrer Ansicht nach mehr Vertrauen in die Unternehmen haben. Den größten Hemmschuh sieht sie in der Regulierung. Der Mittelstand brauche mehr Luft zum atmen. „Wir verwalten uns zu Tode“, sagt sie.

 

Ein Trio steuert das Familienunternehmen

Gemeinsam mit ihrer Cousine und ihrem Bruder steuert Bandte das Familienunternehmen Karl Conzelmann in Albstadt auf der Schwäbischen Alb, das vor allem für das Wäschelabel Nina von C bekannt ist – von Unterwäsche über Dirndl-BHs und Dirndlblusen bis Homewear – aber auch Eigenmarken für den Handel produziert. Zudem engagiert sie sich als Präsidentin im Branchenverband Gesamtmasche, der die Interessen von rund 250 deutschen Herstellern von Maschenbekleidung, Dessous und Maschenstoffen vertritt.

Betriebswirtin Bandte, die vor dem Eintritt ins Familienunternehmen Erfahrungen im Ausland und in anderen Firmen gesammelt hat – etwa vom Trainee bei Karstadt bis zur Unternehmensberatung – und seit 2013 Präsidentin von Gesamtmasche ist, hat viel Einblick. Die Branche sieht sie massiv unter Druck, weil Margen und Umsätze schmelzen. „Viele sind schon froh, wenn sie den Umsatz halten können“, weiß sie aus Gesprächen mit Unternehmerkollegen und -kolleginnen. „Es ist unheimlich Druck im Kessel, jeder schaut, wo er Kosten sparen kann.“

Seit Corona hätten sich die Prioritäten der Menschen verschoben, zudem seien sie sehr preissensibel. „Viele Leute können sich Kleidung aus dem hohen Preissegment nicht mehr leisten“, sagt Bandte. Gleichzeitig überschwemmten asiatische Onlineplattformen wie Temu und Shein Deutschland und Europa mit Billigmode. Die Ware kommt tonnenweise via Luftfracht, was dort teils zu Engpässen führt und auch die Frachtkosten für hiesige Firmen in die Höhe treibt, denen zudem steigende Personal- und Rohstoffkosten zu schaffen machen.

Bandte spricht auch von einem unfairen Wettbewerb, denn anders als deutsche und europäische Hersteller, die mit einer einer Flut von Berichtspflichten, Chemikalienverboten, Anforderungen aus Produktsicherheits- und Lieferkettengesetz zu kämpfen hätten, seien der regulatorische Aufwand und die Kosten für asiatische Billiganbieter vergleichsweise gering.

Mittelständler seien diesem Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand auf Dauer nicht gewachsen, sagt die Präsidentin von Gesamtmasche, zumal viele Berichtspflichten schwer umzusetzen seien. „Wenn man die Druckfarbe auf dem Einnähetikett dokumentieren soll, ist man ein viel zu kleines Licht“ – will heißen, es ist schwierig als kleines Unternehmen solche Informationen zu beschaffen.

„Es geht nicht um Besitzstände, sondern Existenzen“

Der Großteil des Kostendrucks gehe auf das Konto einer realitätsfernen Regulierungspolitik in Berlin und Brüssel, kritisiert sie angesichts der überbordenden Bürokratie. Von der Politik fühlt sich die Branche nicht ernst genommen. „Es geht nicht darum, Besitzstände zu sichern, sondern Existenzen“, sagt Bandte. Man müsse die Balance wahren – nachhaltige Mode, langlebige Qualität, Gewinn nicht nur über die Masse. Aber dafür dürften die vom Gesetzgeber auferlegten Hürden auch nicht so hoch sein.

Im eigenen Unternehmen, das gut 120 Beschäftigte hat und in Partnerbetrieben in Portugal und Rumänien konfektionieren lässt, stellt sich Bandte 2024 nach dem vergangenen Rekordjahr auf Umsatzrückgänge ein. „2023 war das umsatzstärkste Jahr in der Firmengesichte, das werden wir dieses Jahr nicht fortsetzen können“, sagt Bandte. Gut liefen die Geschäfte vor allem mit Dirndl-BHs und Dirndlblusen, auch war man stets lieferfähig, was für den Handel wichtig ist.

Dieses Jahr werde herausfordernd, denn im Handel fehle die Frequenz. Zudem spüre man Schließungen im Fachhandel und Insolvenzen – darunter etwa auch den Wegfall von Galeria-Kaufhof-Standorten. Diese Umsätze ließen sich nicht einfach via Internetverkauf auffangen, sagt die Unternehmerin, die Mutter von zwei erwachsenen Töchtern und Hobbyimkerin ist.

Maschenindustrie – 250 Firmen

Gesamtmasche
Der Gesamtverband der deutschen Maschenindustrie vertritt die Interessen der deutschen Hersteller von Maschenbekleidung, Dessous und Maschenstoffen national und international. Die Branche steht für gut 4,5 Milliarden Euro Umsatz. Die Exportquote liegt bei über 40 Prozent.

Unternehmen
Der Branche gehören 250 Unternehmen mit rund 20 500 Inlandsbeschäftigten an. Die Unternehmen kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen – das reicht von Angora Moden in Deizisau, über Strumpfhersteller wie Falke oder Stricknadelhersteller Groz-Beckert bis zu Herstellern technischer Textilien für die Medizintechnik und Autoindustrie wie etwa Rökona (Tübingen).

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