Auch an Stuttgarter Gymnasien und beruflichen Schulen konnten nicht alle Lehrerstellen besetzt werden. Engpässe gibt es in den Mangelfächern Mathe, Physik und Naturwissenschaften. Pensionäre und Leute ohne Lehramtsabschluss sollen einspringen.

Stuttgart - Zum Schulbeginn sind auch an den Gymnasien und beruflichen Schulen noch etliche Stellen unbesetzt. Für die Stuttgarter Gymnasien werden noch zwei Lehrer für Mathe und Physik gesucht, bei den beruflichen Schulen nennt das Regierungspräsidium nur die noch zu besetzenden Fächer: Neben Mathe und Physik sind es hier auch Informatik und Ingenieurwissenschaften, Schwerpunkt Elektro und Metall. Grund für die Engpässe sei eine unzureichende Bewerberlage. Ja, es habe auch Neueinstellungen gegeben: mit 91 Gymnasiallehrern liege Stuttgart im Regierungsbezirk an der Spitze, bei den beruflichen Schulen seien es 70 neue Lehrkräfte.

 

Damit nicht von vornherein gleich Unterricht ausfällt, habe man an zahlreichen Gymnasien Lehrkräfte eingestellt, die zwar keine Lehrerausbildung haben, aber besser verfügbar seien, teilte das RP auf Anfrage mit. So seien auch Verträge mit zwei diplomierten Künstlern, einem Diplom-Physiker, einer Diplom-Biologin und einem Diplomsportlehrer abgeschlossen worden. Das ermögliche den Schulen, ihre Bestandslehrkräfte verstärkt in den Mangelfächern einzusetzen. Denn dort gebe es keine Springerreserve. Die 22 Deputate, die eigentlich als Reserve gedacht waren, seien „aber gleich zum Schuljahresbeginn aufgrund der vielen Ausfälle wegen Mutterschutz und längerfristigen Erkrankungen“ zum Einsatz gekommen. Man werde „voraussichtlich nicht alle künftigen Ausfälle von Lehrkräften ersetzen können“, räumt das RP ein.

Fachreferenten entscheiden, ob Kräfte ohne Lehrerausbildung unterrichten dürfen

Durch die Engpässe könne es auch sein, dass die von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) angekündigten zwei Vertiefungsstunden für die Zehntklässler in Deutsch und Mathe nicht umgesetzt würden. „Schon jetzt werden Verträge in den Naturwissenschaften, Bildender Kunst und in Sport mit Pensionären und Personen ohne entsprechende Lehramtsausbildung abgeschlossen“, teilt eine RP-Sprecherin mit – für Stuttgarter Gymnasien habe man 16 befristete Verträge abschließen können, für die beruflichen Schulen 23. Allerdings entschieden Fachreferenten im RP darüber, ob die Bewerber geeignet seien, zu unterrichten. An den beruflichen Schulen gehe es nicht nur darum, die Mangelfächer abzudecken, auch der Bedarf an Sprachförderung steige. An der Hedwig-Dohm-Schule im Norden würden zwei Personen ohne Lehramtsabschluss beschäftigt: eine Diplom-Sozialpädagogin und ein Diplom-Mathematiker.

„Ich bin nicht auf Pensionärsjagd“, sagt Barbara Graf. Die Geschäftsführende Schulleiterin der Stuttgarter Gymnasien und Leiterin des Hegel-Gymnasiums in Vaihingen räumt aber ein: „Es war eng, die passenden Leute zu finden – wir haben schon die erste Stopfaktion hinter uns.“ Wegen Erkrankungen. Die Situation sei nicht neu: „Wir haben eine Zeit lang mit Leuten gearbeitet, die kein zweites Staatsexamen haben.“ Damit seien auch die Eltern einverstanden gewesen, weil die Alternative Unterrichtsausfall gewesen wäre. Im Unterschied zum Staatlichen Schulamt habe sie bei der Suche nach Bewerbern festgestellt, dass Gymnasiallehrer in den städtischen Raum wollten und nicht aufs Land. „Sie unterrichten lieber in Stuttgart als in Sielmingen – dabei ist Stuttgart ein teurer Wohn- und Lebensort“. Graf erklärt sich das so: „Ein Lehrer mit A 13- Gehalt kann sich das eher leisten als einer mit A 12.“

Trotz der Personalengpässe setzen Gymnasien auf pädagogische Zusatzangebote

Trotz der personellen Engpässe will Graf im neuen Schuljahr auf Innovationen nicht verzichten. So sollen mit den Fünft- und Sechstklässlern erstmals Lernentwicklungsgespräche geführt werden. In dem auf zwei Jahre befristeten Pilotprojekt erhalte jedes Kind dreimal im Jahr Gelegenheit, mit seinem Lehrer allein zu reden. „So wollen wir die Stärken und besonderen Entwicklungsbedarfe feststellen, und die Schüler sollen sich wertgeschätzt fühlen“, erklärt Graf. Es sei eine völlig neue Kommunikationsform in einem neuen Format und bestimmt „für viele Kinder ungewohnt – aber ich verspreche mir sehr viel davon“. Es werde aus einem Teil der Poolstunden gespeist.

Sehr gut bewährt habe sich der Schulsozialarbeiter, der seit anderthalb Jahren die Gymnasiasten betreut. „Wir haben so viele verhaltensauffällige und bedürftige Schüler“, berichtet Graf. Insbesondere für Jungs sei ein männlicher Ansprechpartner wichtig. Intensiviert werde an vielen Stuttgarter Gymnasien auch die Medienbildung und die Kooperation mit der Polizei, dabei gehe es auch um Prävention vor Cybermobbing. Graf fasst zusammen: „Wir ringen weiter um eine gute Versorgung unserer Kids.“