„Stuttgart ist ein Mangelgebiet“, sagt der Stuttgarter Schulamtschef Thomas Schenk. Als Gründe nennt er die Wohnraumsituation und Ansprüche der Bewerber. Besonders vom Lehrermangel betroffen sind Sonderschulen, Realschulen und Grundschulen.

Stuttgart - Das neue Schuljahr startet in Stuttgart besonders holprig. Denn laut Staatlichem Schulamt konnten zwar 147 neue Lehrer eingestellt werden, aber 55 Stellen sind nicht besetzt. Hinzu kommt, dass aufgrund der Coronaverordnung Schwangere nicht mehr im Präsenzunterricht eingesetzt werden dürfen und die Krankheitsreserve bereits zu Schuljahresbeginn größtenteils aufgebraucht ist. Das erklärte Amtschef Thomas Schenk bei einem Pressegespräch.

 

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Wo Pädagogen fehlen Den mit Abstand größten Lehrermangel gibt es an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ), wie die Sonderschulen heute heißen. Laut Schulamt sind 29 Stellen nicht besetzt. Dort sei der Mangel allerdings durch die Arbeit in Gruppen einfacher zu handhaben als in anderen Schularten, so Schenk. Kompensiert werde dies durch 39 befristete Verträge mit „pädagogisch vorgebildeten Personen“. Auch an Grundschulen seien noch zehn Stellen offen, wie im vergangenen Jahr, dort habe man 24 befristete Verträge abgeschlossen. Schenk versichert aber: „Jede Klasse hat einen Klassenlehrer.“ Dies gelte auch für den Sekundarbereich. Denn auch an den Realschulen sind elf Stellen offen, an Gemeinschaftsschulen drei und an Werkrealschulen zwei. Dort arbeiten 17 Kollegen mit befristeten Verträgen. „Die Lehrereinstellung ist ein schwieriges Geschäft seit Jahren“, sagt Schenk. Viele Bewerber wollten wegen der teuren Lebenshaltung nicht nach Stuttgart kommen und nähmen statt einer Festanstellung in der Landeshauptstadt lieber eine befristete Anstellung am Wunschort in Kauf.

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Fördermaßnahmen für Schüler Mit mehreren Unterstützungsangeboten sollen abgehängte Schüler wieder nach vorn gebracht werden – aber auch da werde „das Personal mit Sicherheit ein Engpass sein“, sagt Schenk. Im neuen Schuljahr sollen bei der Fördermaßnahme „Lernen mit Rückenwind“ Lernrückstände erfasst und in Angriff genommen werden – dabei können die Schulen mittels eines Budgets und über eine virtuelle Plattform Personal akquirieren, auch Nachhilfeinstitute sind als Kooperationspartner möglich. Bei „Bridge the Gap“ vor den Sommerferien habe es an einer ausreichenden Zahl bereitwilliger Studierender gefehlt, so Schenk. So habe man von den 66 Schulen, die Bedarf angemeldet hatten (davon 40 Grundschulen), nur 16 bedienen können, bedauert der Amtschef. An den „Lernbrücken“ in den Sommerferien hätten sich 1696 Schüler an 66 Schulen beteiligt. Zwar hätten sich weitaus mehr Schüler angemeldet – „viele sind aber gar nicht gekommen“, so Schenk.

Schülerzahlen An den Grundschulen werden 4258 Erstklässler eingeschult, etwas mehr als im Vorjahr. An den sieben verbliebenen Werkrealschulen starten in Klasse fünf gerade mal noch 165 Schüler (Vorjahr 193), die Gesamtzahl in dieser Schulart hält sich mit 1577 Schülern jedoch stabil, weil in höheren Klassen noch Jugendliche aus den Vorbereitungsklassen dazustoßen. Bei den Realschulen zeigt sich in Klassenstufe fünf ein deutlicher Rückgang von 1078 auf 939 Schüler – die Gesamtzahl aller Klassen bleibt jedoch stabil. Grund sind ältere Schulwechsler aus dem Gymnasium. Die acht Gemeinschaftsschulen (GMS) verzeichnen in Klasse fünf einen leichten Rückgang. „Der steile Anstieg ist gebremst“, so Schenk. „Da werden wir noch Überzeugungsarbeit leisten müssen.“ Insgesamt steigen dort aber die Schülerzahlen, wegen der Schulwechsler aus dem Gymnasium, aber auch wegen der neuen Oberstufe.

Die gymnasiale Oberstufe startet Erstmals starten in Stuttgart Elftklässler der Schickhardt-Gemeinschaftsschule in die gymnasiale Oberstufe. Von den zunächst 74 Bewerbern seien es noch 56, berichtet Rektorin Sandra Vöhringer – „einige sind abgesprungen“. Es seien aber noch Zuzüge angekündigt, man werde nun trotzdem drei Klassen bilden. Mehr als die Hälfte der Schüler kommen aus der eigenen Schule, die übrigen aus anderen GMS, wenige auch aus Realschulen oder Gymnasien sowie von außerhalb Stuttgarts. Mit 33 Gymnasiallehrern, 16 Realschullehrern, zwölf Werkrealschullehrern und fünf Fachlehrern habe sich das Personal „grundlegend verändert“, so Schenk.

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Bugwelle bei Schulwechslern erwartet Wie viele Schulwechsler aktuell das Gymnasium verlassen haben, um an Real- oder Gemeinschaftsschulen zu wechseln, hat das Schulamt nicht ermittelt. „Wir befürchten aber, dass es eine Bugwelle geben wird“, so Schenk. Allerdings werde die Luft an den aufnehmenden Schulen dünn. An der Schickhardt-GMS habe man 55 Wechsler aufgenommen, „wir sind in Klasse sieben und neun komplett voll“, so Vöhringer. Rund 25 Kinder habe sie ablehnen müssen.

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Weniger Vorbereitungsklassen Die Zahl der Schüler in den Vorbereitungsklassen ist mit 630 (Vorjahr 730) weiter deutlich zurückgegangen. 30 Prozent von ihnen seien Flüchtlinge. „Ein Schüler, der bei uns aufschlägt, hat vom ersten Tag an ein Anrecht auf Schule“, so Schenk. „Wir können bei Bedarf auch erhöhen.“ Da die Voraussetzungen dieser Schüler sehr unterschiedlich seien, wolle man in Stuttgart für sie alle verpflichtend einen Diagnosetest „Potenzial und Perspektive“ einführen, um ihre Basiskompetenzen zu ermitteln.