Bluthochdruck muss behandelt werden. Doch bei einem Teil der Betroffenen schlägt die Therapie nicht so an, wie erwünscht. Experten erklären am Welt-Hypertonietag, warum dann die Nieren überprüft werden sollten.

Stuttgart - Die 75-jährige Patientin hatte sich eigentlich immer gesund gefühlt: Immer aktiv, immer in Schwung – da störte sie sich auch nicht an den paar Kilos, die sie zuviel auf den Hüften hat. Doch nun hat ihr der Arzt attestiert: Ihr positives Körpergefühl hat getrogen. Die Stuttgarterin hat einen viel zu hohen Blutdruck von 180/110 mmHg. Zum Vergleich: Normal liegt der Blutdruck eines gesunden Erwachsenen bei 120/80. Und obendrein arbeiten ihre Nieren nicht mehr richtig.

 

Wieso schwankt der Blutdruck überhaupt?

Fast jeder dritte Bundesbürger hat einen ständig erhöhten Blutdruckin seinen Arterien. Das hat gefährliche Folgen: Schlimmstenfalls erleiden die Betroffenen einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt. „Grundsätzlich sollte daher jeder erhöhte Blutdruck behandelt werden“, sagt Mark Dominik Alscher, Klinikchef des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart und zugleich Regionalbeauftragter der Deutschen Hochdruckliga (HDHL). Denn ein ausgeglichener Blutdruck ist der Garant dafür, dass sich der Körper an jede Situation optimal anpassen und funktionieren kann. Dafür hat der Körper raffinierte Mechanismen zur Regelung des Blutdrucks entwickelt, an denen nicht nur das Herz, sondern auch das Gehirn und insbesondere die Nieren beteiligt sind. So regeln die Nieren über die ausgeschiedene Flüssigkeitsmenge das Blutvolumen. Maßgeblich daran beteiligt sind die sogenannten Nierenkörperchen. Sie vollbringen die eigentliche Filterleistung.

Schwerer Hochdruck kommt von der Niere

Daher richten Ärzte bei der Ursachenforschung von Bluthochdruck sehr genau ihren Blick auf die Nieren ihrer Patienten. So hat man inzwischen festgestellt, dass Menschen mit Bluthochdruck meistens auch halb so viele Nierenkörperchen besitzen wie Gesunde. Das kann von Geburt an so sein, kann aber auch damit zusammenhängen, dass ein jahrelang unentdeckter Bluthochdruck die Niere schon stark geschädigt hat. Teils führt auch eine Erkrankung zu einer Dezimierung der Nierenkörperchen. „Die Krux an der Sache ist: Wird das Nierenleiden nicht rechtzeitig erkannt, kann aufgrund des Defekts der Blutdruck weiter in die Höhe getrieben werden. Gleichzeitig wird dadurch wiederum die Niere weiter geschädigt“, sagt der Nierenspezialist Mark Dominik Alscher.

Bei Nierenhochdruck-Patienten greifen Medikamente nur schlecht

Bei der 75-jährigen Patientin soll dieser Teufelskreis nun unterbrochen werden. Was nicht einfach ist: „Bezeichnend für Hypertoniker mit einer Nierenerkrankung ist, dass trotz Medikamenteneinnahme die Therapie plötzlich nicht mehr greift“, sagt Vedat Schwenger, Ärztlicher Direktor der Klinik für Nieren-, Hochdruck- und Autoimmunerkrankungen am Klinikum Stuttgart

Werden Patienten mit solchen Symptomen an die Bluthochdruck-Sprechstunde im Klinikum überweisen, führt Schwenger erst einmal eine 24-Stunden-Blutdruckmessung durch, schaut sich per Ultraschall die Größe und Beschaffenheit der Nieren an und testet den Urin unter anderem auf Eiweiß und Blutzellen. „Mit diesen Werten können wir die Nierenfunktion besser beurteilen.“

Patienten müssen regelmäßig zum Arzt

Dann gilt es in erster Linie den Blutdruck zu regulieren, damit dieser nicht weiter die Niere schädigt. So empfiehlt die DHL Kombinationspräparate, die als eine der Substanzen meist ein Entwässerungsmittel enthalten. Auch muss darauf geachtet werden, dass sich die Nierenfunktion nicht weiter verschlechtert. Für die 75-jährige Patientin mit Nierenhochdruck bedeutet dies: Viele Medikamente und regelmäßige Arztbesuche, bei denen stets die Blutdruck und Nierenwerte überprüft werden müssen.

Blutdruck senken ohne Pillen – geht das?

Dennoch sind Forscher schon dabei, Verfahren zu entwickeln, die den Blutdruck ganz ohne Pillen niedrig halten. Vor ein paar Jahren beispielsweise schien das Vorhaben nahezu gelungen. Patienten mit Bluthochdruck, die auf keinerlei Medikamente reagierten, wurden einem Eingriff mit Kathetertechnik unterzogen: Mit einer Elektrode werden dabei Nervenverbindungen zerstört, die eigentlich an der Regelung des Blutdrucks beteiligt sind. „Mittlerweile haben Studien aber gezeigt, dass dieser Effekt nicht so stark ist wie erhofft“, sagt Schwenger. Weshalb das Verfahren aus den Leitlinien verschwunden ist – und in Kliniken nur noch selten angewandt wird. „Wir am RBK therapieren damit nur noch Einzelfälle“, sagt Alscher.

Im Klinikum Stuttgart setzt das Team um Vedat Schwenger zusammen mit den Kollegen der Gefäßchirurgie auf ein neues Verfahren: Hat ein Patient einen behandlungsresistenten Bluthochdruck, erhält er einen Schrittmacher unter das Schlüsselbein implantiert. Der sendet elektrische Signale an bestimmte Rezeptoren der Halsschlagader. Das sind die körpereigenen Drucksensoren, die wiederum dem Gehirn signalisieren, Blutdruck und Herzfrequenz zu normalisieren. „Ganz auf Medikamente verzichten können die Patienten jedoch auch mit diesem Schrittmacher nicht“, so Schwenger.

Was jeder Patient tun kann, um seine Werte zu bessern

Tatsächlich kämen die meisten Hochdruckpatienten mit weniger Medikamenten aus, wenn sie nur ihren Lebensstil änderten. „Wenn es den Patienten gelingt abzunehmen, an mindestens fünf Tagen die Wochen eine halbe Stunde – noch besser eine Stunde – spazieren zu gehen, sich gesund und salzärmer zu ernähren, dann wirkt sich dies sehr gut auf den Blutdruck aus“, sagt Alscher. Bei vielen Patienten würden die Werte um 10 mmHg absinken. „Hat man eine leichte Hypertonie, bedeutet dies: keine Tabletten.“ Auch Patienten mit einer mittleren bis schweren Hypertonie profitieren von einem gesunden Lebensstil, so Alscher: Die Medikamente wirken besser und können oft reduziert werden.