Die baden-württembergischen Gymnasiallehrer drängen die Kultusministerin, zum neunjährigen Gymnasium zurückzukehren. Das sei der Trend in anderen Bundesländern. Doch Susanne Eisenmann winkt ab.

Stuttgart - Mit wissenschaftlicher Unterstützung geht der Philologenverband (PhV) in die nächste Runde seiner Kampagne für die Wahlfreiheit zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium. Die rund 14 600 Unterschriften aus der Internetaktion für die Wahlfreiheit hat der Landesverband vor Wochen an Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) übergeben. Jetzt schaltet er den Petitionsausschuss des Landtags ein.

 

Aus diesem Anlass ging der Kölner Erziehungswissenschaftler Matthias Burchardt mit der Reform hart ins Gericht. Rückblickend sei kaum nachvollziehbar, warum die Schulzeit verkürzt worden sei. Als Auslöser macht er die Schockstimmung nach den ersten Pisaergebnissen aus, die politischen Aktionismus bewirkt habe. Seine Bilanz: Die Belastungen für Schüler, ihre Familien und die Schulen seien gestiegen, die Ausbildungsreife und die Studierfähigkeit gesunken. Er lobt, dass in den meisten Bundesländern ein Umdenken eingesetzt habe und unterstützt den Vorstoß des baden-württembergischen Philologenverbandes.

Bundesweiter Trend

Bernd Saur, der Landeschef des PhV, sieht die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium und die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 als „bundesweiten Trend, den Baden-Württemberg nicht ignorieren kann“. G8 betrachtet er als „gutes Angebot für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler“. Viele Gymnasiasten würden aber von einem weiteren Jahr profitieren. In Baden-Württemberg gibt es an 44 Standorten G9-Gymnasien, die sehr gefragt sind. Saur erinnerte daran, dass Niedersachsen mit diesem Schuljahr flächendeckend zu G9 zurückkehrt, in Hessen böten die meisten Gymnasien nach Einführung der Wahlfreiheit G9 an. In Nordrhein-Westfalen stehe ein Volksbegehren zu G9 an.

Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) zeigt sich indes ebenso unbeeindruckt wie die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU. Eisenmann lässt ausrichten, „die Koalition hat die Entscheidung getroffen, G8 ist die Regelform in der Fläche“. Der neunjährige Weg zum Abitur führe über die Realschule und die Beruflichen Gymnasien oder die Gemeinschaftsschule.

Koalition lehnt Kurswechsel ab

Die bildungspolitischen Sprecher Sandra Boser (Grüne) und Karl-Wilhelm Röhm (CDU) betonten, der Fokus der Koalition liege „ganz klar darauf, das Gymnasium in seiner bestehenden Form noch besser zu machen“. Man wolle „mit einem Kurswechsel keine neue Unruhe in die Gymnasien tragen“. 111 zusätzliche Lehrerstellen sollen nun dazu beitragen, dass in Klasse zehn die Kernfächer vertieft werden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wendet sich ebenfalls gegen die Rückkehr zu G9. Ein Parallelangebot bezeichnet die Landesvorsitzende Doro Moritz als „bildungspolitische Sackgasse mit unüberschaubaren finanziellen Mehrbelastungen“. Auch die oppositionelle FDP bekennt sich zu dem achtjährigen Gymnasium und den beruflichen Gymnasien als neunjähriger Alternative.