Der Vorstoß von Sportwissenschaftlern, dem Sport in der Schule mehr Bedeutung beizumessen, stößt bei Susanne Eisenmann auf offene Ohren. Doch Schulleiter lassen lieber eine Sportstunde ausfallen als Deutsch oder Mathematik.

Stuttgart - Der Vorstoß der Sportwissenschaftler, das Schulfach Sport aufzuwerten, findet Beifall bei Eltern, Lehrern und der Kultusministerin. Susanne Eisenmann (CDU) betont, „Sport hat für mich einen sehr hohen Stellenwert und eine enorme Bedeutung – für die Gesellschaft insgesamt und vor allem auch für die Schule. Sport, Bewegung und Schule gehören unzertrennlich zusammen.“ Aber auch die Eltern und Familien seien gefragt, um Kindern Lust auf Sport und Bewegung zu machen. „Schon aus gesellschafts- und gesundheitspolitischen Gründen können wir es uns nicht leisten, Sport nur als Spaßfaktor zu sehen“, pflichtet Eisenmann den Wissenschaftlern um Ansgar Thiel, dem Leiter des Tübinger Sportinstituts bei. Die Sportexperten hatten beklagt, dass die Bedeutung des Schulfachs der Bedeutung des Sports in der Gesellschaft nicht gerecht werde. Nun sagte Eisenmann dieser Zeitung, sie sei bereit mit den Wissenschaftlern „in nächster Zeit das Gespräch darüber aufzunehmen“.

 

Im neuen Bildungsplan gelte die Maxime „Erziehung zum Sport und Erziehung durch Sport“. Der Wissenserwerb und die Reflexion über Sport erhalte ein hohes Gewicht. Eine wissenschaftlicher Begleitung der Umsetzung, wie sie die Experten fordern wäre nach Ansicht der Ministerialen hilfreich. Die Untersuchung könne auch Aufschluss über die Qualität des Sportunterrichts liefern. Der Schulsport sei ein wesentlicher Bestandteil einer ganzheitlichen Bildung. Es soll den Schülern „Bewegung als Lebensprinzip bewusst machen und sie zu lebenslangem Sporttreiben motivieren“.

Freude an der Bewegung erhalten

Ob das klappt, daran hat beispielsweise Sabine Wassmer Zweifel. Die Vorsitzende des Gesamtelternbeirats der Stuttgarter Schulen sagt, „auch Erwachsene wissen, dass gesunde Bewegung wichtig ist, und auch bei ihnen scheitert die praktische Umsetzung“. Eine wissenschaftliche Untersuchung des Unterrichts hält auch sie für wichtig. Vor allem müsse das Ziel definiert werden. Und das müsse sein „bewegungsfreudige Menschen, die das, was sie tun, mit theoretischem Basiswissen unterfüttert bekommen“. Keinesfalls dürfe aber die Freude an der Bewegung leiden. Dass der Sport mehr Gewicht bekommen soll, begrüßt Wassmer ausdrücklich. Sie sieht das Fach in einem Dilemma. Es falle zu viel Unterricht aus, sein Stellenwert sei zu gering. Aber auch sie weiß, dass es Eltern lieber ist, der Sportunterricht fällt aus, als Deutsch. Da greife eins ins andere. Werde der Sport gestärkt, würden ihn auch die Eltern wichtiger nehmen.

Wenn Sport ausfällt, beschwert sich keiner

Die Wissenschaftler beklagen, dass Sportunterricht vor allem als Ausgleich für die geistig anspruchsvollen Fächer betrachtet und als eigenständiges Fach nicht ernst genommen werde. Da erwartet etwa Michael Gomolzig vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) kein grundlegendes Umdenken. „Eltern bestehen darauf, dass Deutsch und Mathematik unterrichtet werden, wenn es knapp wird, wird als erstes Sport und Musik gestrichen“, sagt der Schulleiter. Das möge dem Stellenwert des Sports in der Gesellschaft und der Bedeutung von gesunder Bewegung für eine alternde Gesellschaft nicht gerecht werden, räumt Gomolzig ein. „Aber, wenn der Sport ausfällt, beschwert sich keiner beim Schulamt“.

Großen Änderungsbedarf beim aktuellen Sportunterricht sieht der Schulleiter gar nicht. Etwas mehr Grundlagenwissen könne zwar nicht schaden, es dürfe aber keinesfalls zu Lasten aktiver Bewegung gehen. Kindern in der Pubertät sei es oftmals wichtiger, in der Pause auf dem Mäuerchen zu sitzen und zu chatten, als Tischtennis zu spielen oder über den Schulhof zu rennen. Freiwillige Bewegung sei eher Fehlanzeige. Da sollte praktischer Sportunterricht nicht zu Gunsten von Theorie gekürzt werden. Zudem wäre es besonders an den Hauptschulen negativ, Schüler, die sich mit Theorie schwer täten, auch noch im Sport damit zu behelligen

Sportlehrer schlecht ausgebildet

Für Peter Reich, einen der Vorsitzenden des Sportlehrerverbands, ist es keine Frage, „der Sport muss praktisch und theoretisch aufgewertet werden“. Politische Unterstützung tue not, sagt Reich. Er hat als Fachberater im Regierungsbezirk Karlsruhe Einblick in die Geschehnisse in den Turnhallen Nordbadens und sagt, „Das Hauptproblem sind die Lehrer. In der Ausbildung sieht es ganz übel aus.“ Vor allem an Universitäten stehe die Theorie sehr im Vordergrund: „künftige Sportlehrer können mit Rugby und Badminton Examen machen“. Ihnen fehle die breite fachpraktische Basis in vielen Sportarten. Am schlimmsten sei es in den Grundschulen. Dort werde Sport praktisch nur von Lehrern unterrichtet, die nicht Sport studiert hätten. Diese seien gar nicht in der Lage, die Anforderungen zu erfüllen und beispielsweise Grundschülern das Schwimmen beizubringen. „Wir wünschen uns einen breit aufgestellten Sportlehrer der theoretisches und fachpraktisches Wissen vermitteln kann“, betont Reich. Immer müsse aber die Praxis im Vordergrund stehen.