Die Verbraucherzentralen halten einen Großteil der Produkte zur Geldanlage für zu teuer und unflexibel.

Berlin - Banken, Versicherungen und Investmentfonds verkaufen zu teure, unflexible und renditeschwache Produkte. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die Anlageprodukte von Banken und Finanzvertrieben in mehreren Bundesländern untersucht hat. Werner Bareis, der die Stelle Marktwächter Finanzen bei der Verbraucherzentrale leitet, nannte die Ergebnisse niederschmetternd. Mit den Marktwächtern wurde ein Frühwarnsystem eingerichtet, um Fehlentwicklungen bei der Geldanlage zu verhindern.

 

Die Berater der Verbraucherzentralen hätten Angebote von Banken und anderen Finanzdienstleistern untersucht, die Kunden vor dem Vertragsabschluss vorgelegt haben. Das Resultat: 95 Prozent der neuen Vertragsangebote seien nicht im besten Kundeninteresse gewesen. Allerdings sind die Fallzahlen der Untersuchung gering und nicht repräsentativ. Die Berater überprüften 362 neue Angebote von Finanzdienstleistern. Gravierende Missstände erkennen sie auch bei Geldanlageverträgen, die Kunden schon vor einiger Zeit abschlossen haben und die ebenfalls in den Beratungsgesprächen präsentiert wurden. Von den insgesamt 3500 untersuchten Anlageprodukten seien 45 Prozent „nicht bedarfsgerecht“ gewesen. Darunter verstehen die Verbraucherschützer Anlagen, die zu wenig Rendite abwerfen, zu teuer, unflexibel und riskant sind.

Kunden unterschätzen die Kosten bei der Geldanlage

Die Verbraucherschützer verzeichnen auch bei verbreiteten Bank- und Versicherungsprodukten Mängel. Aus der Untersuchung geht hervor, dass die Renten- und klassische Lebensversicherung zu den häufigsten Anlageprodukten gehört. Danach kommen die Spareinlagen, fondsgebundene Lebensversicherungen, Bausparverträge und Fonds.

„Die Kosten bei der Geldanlage werden ständig unterschätzt“, sagte Bareis. Weil viele Menschen für die Altersvorsorge sparten, stellten sie häufig erst nach Jahrzehnten fest, dass die gewählten Anlageprodukte nicht die Erwartungen erfüllten. Die Verbraucherschützer fordern die Kunden auf, die Kosten bei der Geldanlage zu beachten. „Die Auswirkung höherer Kosten ist auf lange Sicht immens, ohne dass sich Verbraucher dessen bewusst werden“, sagte Bareis. Die Schwierigkeit für Verbraucher bestehe darin, dass Produktvergleiche in vertretbarer Zeit kaum möglich seien. Das gelte etwa für Renten- und Kapitallebensversicherungen sowie Investmentfonds. Dorothea Mohn von der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) forderte strengere gesetzliche Verpflichtungen für Finanzdienstleister. Der Gesetzgeber sollte die Anbieter verpflichten, dass Empfehlungen der Berater in bestmöglichem Kundeninteresse erfolgen müssten. Dabei solle auch vorgeschrieben werden, dass die Berater die Gesamtsituation des Kunden zu berücksichtigten hätten. So sei es wenig sinnvoll, Anlageprodukte zu empfehlen, wenn der Kunde noch Kreditverträge zu bedienen hat, aus denen er ohne größere Kosten aussteigen kann.

Die Deutsche Kreditwirtschaft bezeichnet die Darstellung der Verbraucherschützer als irreführend

Der VZBV verlangt, dass Beratung und Verkauf bei Finanzprodukten künftig getrennt werden. Provisionen, Margen und Vertriebsanreize sollten nach Meinung der Verbraucherschützer verboten werden. Das Prinzip, dass Beratung und Verkauf separiert werden, habe sich etwa in der Medizin bewährt: Der Arzt sei für die Behandlung zuständig, und der Apotheker beschafft die Medikamente. Nach diesem Vorbild solle auch in der Finanzbranche verfahren werden. Das sei notwendig, um den Wettbewerb zu erhöhen.

Die Deutsche Kreditwirtschaft bezeichnete die Darstellung der Verbraucherschützer als irreführend. Die Untersuchung greife zu kurz, da die Forderung nach einer bedarfsgerechten Beratung zu unbestimmt sei. Pauschale Urteile zu einzelnen Produktgruppen seien nicht hilfreich. Die Ergebnisse der Verbraucherschützer stünden im Gegensatz zu repräsentativen Erhebungen, die zum Schluss kamen, dass die Kunden von Banken und Sparkassen mit den Leistungen der Institute zufrieden seien, so die Finanzwirtschaft.

Der baden-württembergische Verbraucherminister Alexander Bonde (Grüne) sagte, die Ergebnisse zeigten, dass es richtig war, die Finanzmarktwächter bei den Verbraucherzentralen einzuführen. Baden-Württemberg habe sich dafür lange eingesetzt. Mit der Offenlegung von Provisionen und der Trennung von Beratung und Vertrieb könne Abhilfe geschaffen werden, meinte Verbraucherminister Bonde.