Das Interesse der Öffentlichkeit ist groß, aber nicht immer im Dienste der Aufklärung: Mysteriöse Todesfälle von Zeugen und alte Meldungen über angebliches Interesse von Polizeibeamten am Ku-Klux-Klan sorgen für Aufregung.

Stuttgart - Bereits die erste Etappe des Stuttgarter Untersuchungsausschusses hat gezeigt, dass es richtig war, den Rechtsterror des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) mit den Mitteln des Parlaments auf seine Bezüge nach Baden-Württemberg abzuklopfen. Behörden müssen ihr Verhalten rechtfertigen, das Interesse der Öffentlichkeit ist gewaltig, die Spannung steigt. Allerdings kommt es in wachsendem Maße auch zu – häufig: medialer - Schnappatmung.

 

Der Tod der Zeugin Melissa M, die bei ihrer Befragung nichts Habhaftes zur Arbeit des Ausschusses hatte beitragen können, führte umstandslos zu Spekulationen über einen neuen rechtsterroristischen Mord. Zwar erbrachte die Obduktion den Befund einer Lungenembolie, hervorgerufen durch einen eher harmlosen Motorradunfall. Doch die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft Karlsruhe („Wir sind uns der Brisanz des Falls bewusst“) noch weitere Untersuchungen anstrengte, regte die Fantasie an und evozierte Schlagzeilen, die eine Vergiftung der jungen Frau nahelegen. Prompt forderten die Grünen im Bundestag Personenschutz für NSU-Zeugen.

Peinliche Behördenpannen

Im Fall Florian H., mit dem Melissa M. zeitweise liiert war, hatten die Staatsanwaltschaft Stuttgart sehr zügig die Akte geschlossen – zu zügig, tönt es einvernehmlich aus dem Untersuchungsausschuss, welcher der Meinung ist, dass die Verankerung des 21-Jährigen in der rechtsextremen Szene einer tieferen Untersuchung wert gewesen wäre. Immerhin hatte es seitens des Verfassungsschutzes Überlegungen gegeben, Florian H. als Informanten zu gewinnen. Im Ergebnis hat sich die von Polizei und Staatsanwaltschaft vertretene Suizid-These im Untersuchungsausschuss jedoch erhärtet, ungeachtet aller peinlichen Behördenpannen, von denen eine Machete und eine Luftpistole künden, die neben anderen Gegenständen bei der kriminaltechnischen Untersuchung des ausgebrannten Wagens übersehen worden waren. Übrig bleibt der Verdacht, Florian H. könnte von seinen früheren Kameraden in der Neonazi-Szene in den Tod getrieben worden sein. An dieser Hypothese arbeitet der Untersuchungsausschuss noch. Dass die CDU jetzt Innenminister Reinhold Gall (SPD) vor den Ausschuss laden will, dürfte indes eher dem heraufziehenden Wahlkampf geschuldet sein als einer wirksamen Aufklärung.

Mysteriös bleibt hingegen der Tod des jungen Arthur C., der 2009 in der Heilbronner Gegend neben seinem Auto verbrannte. Ihn hatten schon die Ermittler der Sonderkommission „Parkplatz“ im Visier. Sie gingen der Frage nach, ob Arthur C. identisch ist mit einer jener Personen, die Zeugen nach dem Mord an der Polizistin Michéle Kiesewetter flüchten sahen.

Aufregung über altbekannte Ku-Klux-Klan-Berichte

Große Aufregung hat auch hat die in den vergangenen Tagen dargebotene Nachricht hervorgerufen, bis zu zwanzig Polizisten des Landes hätten um Aufnahme beim Ku-Klux-Klan (KKK) nachgesucht. Die Deutsche Presseagentur verbreitete diese Spekulation nach Lektüre eines Zeitungsberichts als publikumswirksame Neuigkeit. Polizeigewerkschafter zeigten sich entsetzt, die türkische Community zog vor dem Innenministerium zur Mahnwache auf. Tatsächlich aber ist die Meldung bereits zwei Jahre alt. Die einzige öffentlich bekannte Quelle für diesen in der Tat deprimierenden Vorwurf ist Achim Schmid, Ex-Informant des Landesamts für Verfassungsschutz und Gründer des KKK-Ablegers in Schwäbisch Hall. Die Behörden tun dessen Aussagen bisher als Aufschneiderei ab, Schmid hingegen variiert sie immer wieder, etwa mit dem spöttischen Hinweis, der Klan habe damals – Anfang der 2000er-Jahre – überlegt, einen Polizeibeauftragten zu ernennen, so groß sei der Andrang gewesen. Bei anderen Gelegenheiten sprach Schmid, der sich inzwischen angeblich von seiner rassistischen Vergangenheit distanziert, von fünf oder sechs Interessenten aus den Reihen der Polizei. Zu Schmids KKK-Clan gehörte auch der Rechtsextremist Thomas Richter alias „Corelli“, ein V-Mann des Bundesamts für Verfassungsschutz. Er starb – ebenfalls überraschend – an einer nicht erkannten Diabetes.

Aufklärung über milde Strafen für Polizisten gefordert

In dem Anfang 2014 vorgelegten Bericht der Ermittlungsgruppe Umfeld des Landeskriminalamts findet sich der Hinweis, dass neben den beiden bekannten KKK-Mitgliedern der Polizei drei weitere Beamten im Verdacht stünden, beim KKK mitgemacht zu haben. Dies habe sich aber nicht erhärten lassen. Hier tut sich für den Untersuchungsausschuss ein lohnendes Arbeitsfeld auf. Zu klären wäre die Frage, weshalb die beiden Polizisten, die vom Verfassungsschutz beim KKK ertappt worden waren, so milde davon kamen. Und weshalb es erst eines mehrmaligen Nachhakens des damaligen Verfassungsschutzpräsidenten Helmut Rannacher bedurfte, ehe überhaupt gegen die Beamten vorgegangen wurde. Und auch das nur im Schneckentempo. Womöglich kommt der Ausschuss dann doch noch weiteren rassistisch gesinnten Polizisten auf die Spur.