Untersuchungsausschuss Untersuchungsausschuss kommt zum Ende

Innenminister Thomas Strobl (CDU) wurde am Montag ein weiteres Mal als Zeuge gehört. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Mit der nochmaligen Vernehmung von Innenminister Thomas Strobl (CDU) dürfte der Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre bald zu einem Ende kommen.

Entscheider/Institutionen: Annika Grah (ang)

Der Untersuchungsausschuss zur Polizeiaffäre im Landtag kommt zum Ende. Am Montag stand Innenminister Thomas Strobl (CDU) den Abgeordneten als letzter Zeuge noch einmal Rede und Antwort. Nach 34 Sitzungstagen und fast 60 Zeugen konnte die Beweisaufnahme am Montag nach den Worten der Vorsitzenden Daniela Evers abgeschlossen werden.

 

Das Thema Belästigung Ausgangspunkt des Untersuchungsausschusses war die Affäre um den Inspekteur der Polizei, Andreas Renner. Eine Hauptkommissarin hatte ihm vorgeworfen, sie nach einer Feier im Ministerium bei einem Kneipenbesuch sexuell genötigt zu haben. Im Strafprozess wurde Renner aus Mangel an Beweisen rechtskräftig freigesprochen. Viel tiefer als im Prozess wurde der Fall nicht behandelt, obwohl auch noch ein Disziplinarverfahren gegen Renner läuft. Der vom Dienst freigestellte Inspekteur ließ bei seiner Aussage keine Fragen zu, die Hauptkommissarin wurde nie geladen.

Darüber hinaus hatte sich der Ausschuss das Thema sexuelle Belästigung in der Landesverwaltung vorgenommen. Eine Ermittlungsbeauftragte sollte zurückliegende Fälle untersuchen, um Schlüsse daraus zu ziehen. Nachdem nach Jahren eine geeignete Ermittlungsbeauftragte gefunden wurde, musste der Ausschuss Abstriche machen, was den Zeitraum und die Behörden anging, die überhaupt untersucht werden. So kam eine große Unwucht in den Bericht: Nur im Einflussbereich des Innenministeriums wurden auch Fälle weit über die Ministerien und große Landesbehörden hinaus untersucht – also bei den mehr als 30 000 Beschäftigten der Landespolizei.

Die Ermittlungsbeauftragte schloss, dass mit den Vorwürfen in der Landesverwaltung „im Großen und Ganzen ordentlich umgegangen wurde“. Ganz zufrieden waren die Abgeordneten aber nicht. „Der Umgang mit sexueller Belästigung in Landesbehörden ist verbesserungswürdig“, sagte SPD-Obmann Sascha Binder. Grünen-Obmann Oliver Hildenbrand regte ein Forschungsprojekt an.

  Beförderungs- und Besetzungspraxis

Viel Raum nahm die Frage nach der Besetzung hochrangiger Posten bei der Polizei in Anspruch – und dies brachte auch die stichhaltigsten Erkenntnisse. Mehrere Zeugenaussagen weckten Zweifel daran, ob das strenge Prinzip der Bestenauslese immer eingehalten wurde. Dabei ging es nicht nur um die steile Karriere von Andreas Renner, der 2019 LKA-Vizepräsident wurde und dank ungewöhnlicher Bestnoten nur ein Jahr später zum Inspekteur der Polizei, dem ranghöchsten uniformierten Polizist im Land, befördert wurde. Auch die Besetzung in Polizeipräsidien wurde thematisiert und schließlich stellten Zeugen auch Personalentscheidungen des Inspekteurs selbst infrage – etwa als er die Führung des SEK austauschte.

Das Innenministerium hat inzwischen das Beurteilungswesen geändert. Dadurch sollen die Beförderungen transparenter werden. Ob das aber tatsächlich grundlegend etwas ändert, wird sich erst in Zukunft zeigen. „Nicht das Beurteilungssystem ist das Problem, sondern sein vielfacher Missbrauch“, hatte die FDP-Abgeordnete Julia Goll im Verlauf des Ausschusses einmal festgestellt. Der Grünen-Abgeordnete Oliver Hildenbrand hält einen kulturellen Wandel in der Polizeiführung und strukturelle Veränderungen für notwendig. Dafür wolle man im Abschlussbericht Handlungsempfehlungen formulieren, kündigte er an.

Der Fall des Inspekteurs der Polizei

Mehrfach wurde das Verhalten und die Karriere von Andreas Renner beleuchtet. Zum Teil wurden Feierlichkeiten in Diensträumen thematisiert – während seiner Zeit als LKA-Vize fanden die augenscheinlich auch trotz der strengen Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie statt. Dennoch zeichneten einige Zeugen und frühere Vorgesetzte ein makelloses Bild des Inspekteurs. Der frühere Staatssekretär im Innenministerium Wilfried Klenk (CDU) sagte: „Kein Mensch hätte je gedacht, dass wir so etwas mit dem Inspekteur der Polizei erleben.“ Das wirft Fragen auf. Denn ein Journalist unserer Zeitung hatte im Ausschuss ausgesagt, er habe schon 2019 Hinweise auf sexuelle Belästigung erhalten. Nach dem Freispruch vor dem Landgericht, in dem auch andere Vorfälle zur Sprache kamen, läuft ein Disziplinarverfahren weiter. Die Stelle des Inspekteurs hat das Innenministerium inzwischen abgeschafft und die Polizeispitze neu geordnet. Die Staatsanwaltschaft hat jüngst Anklage wegen Bestechlichkeit erhoben. Der Vorwurf: Der Inspekteur soll der Hauptkommissarin, die ihm sexuelle Nötigung vorwarf, Hilfe beim beruflichen Vorankommen in Aussicht gestellt haben, wenn sie sich mit ihm einlasse. Die Klage vor dem Landgericht Stuttgart ist aber noch nicht zugelassen.

Konsequenzen

Rücktrittsforderungen in Richtung des Innenministers wurden schon zu Beginn des Untersuchungsausschusses laut. Damals ermittelte noch die Staatsanwaltschaft gegen den Innenminister, weil er einen Brief vom Anwalt des Inspekteurs an einen Journalisten unserer Zeitung weitergegeben hatte. Das Verfahren wurde gegen eine Geldauflage eingestellt. Die Rücktrittsforderungen der Opposition liefen ins Leere – auch weil Strobl die Rückendeckung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) genoss. „Das Problem ist, man war nicht bereit, politische Konsequenzen zu ziehen“, schloss FDP-Obfrau Goll. Strobl selbst hatte im Ausschuss betont, für alles, was sich im Ministerium zutrage, die Verantwortung zu übernehmen. Das hielt ihm der SPD-Mann Sascha Binder am Montag vor. Doch neue Erkenntnisse, die der Ausschuss über die Jahre gewonnen hat, ließ Strobl bei seiner Vernehmung an sich abprallen. So wies er eine Einflussnahme auf die Beförderung des Inspekteurs zurück. Es hätte sich auch ein anderer Bewerber durchsetzen können, sagte Strobl. Binder sieht ihn dennoch in der Pflicht: „Kein Innenminister in diesem Land wäre nach alledem noch im Amt.“

Zahlen zum U-Ausschuss

Kosten
Die endgültige Summe wird erst feststehen, wenn der Untersuchungsausschuss wirklich beendet ist. Aber im Mai waren es bereits rund 1,9 Millionen Euro.

Dauer
Eingesetzt wurde der Untersuchungsausschuss am 1. Juni 2022. Er läuft also seit etwas mehr als drei Jahren. Am Montag fand die 38. Sitzung statt. Wird die Beweisaufnahme nun geschlossen, wird es noch ein paar Monate dauern, bis der Abschlussbericht fertig ist. Zeugen Insgesamt wurden bisher 57 Zeugen gehört, manche davon zwei Mal – wie Innenminister Thomas Strobl, der den Anfang und den Schluss bei der Zeugenbefragung machte. Superlative Innenminister Thomas Strobl (CDU), dem der Innenausschuss auch gegolten hatte, wurde am längsten befragt. Schon bei seiner ersten über zwei Sitzungen dauernden Befragung saß er knapp 24 Stunden im Zeugenstand. Ungewöhnlich Der CDU-Abgeordnete Christian Gehring, Mitglied im U-Ausschuss, wurde selbst als Zeuge befragt.

Zeugen Insgesamt wurden bisher 57 Zeugen gehört, manche davon zwei Mal – wie Innenminister Thomas Strobl, der den Anfang und den Schluss bei der Zeugenbefragung machte.

Superlative
Innenminister Thomas Strobl (CDU), dem der Innenausschuss auch gegolten hatte, wurde am längsten befragt. Schon bei seiner ersten über zwei Sitzungen dauernden Befragung saß er knapp 24 Stunden im Zeugenstand. Ungewöhnlich Der CDU-Abgeordnete Christian Gehring, Mitglied im U-Ausschuss, wurde selbst als Zeuge befragt

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