In der Steueraffäre fordern auch 16 Christdemokraten einen Untersuchungsausschuss. Doch auf Geheiß von Kommissionschef Juncker droht die Fraktion ihnen mit Konsequenzen.

Brüssel - Die Aufklärung der Affäre um die luxemburgische Steueroase (LuxLeaks) entwickelt sich zum Politikum: Besonders in der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch der Kommissionschef und frühere Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker angehört, ist ein Untersuchungsausschuss hochumstritten. Die Christdemokraten, die diese Forderung schriftlich unterstützt haben, werden eigenen Angaben zufolge massiv unter Druck gesetzt. „Es wird versucht, dass sie ihre Unterschrift zurückziehen“, berichtet der CDU-Abgeordnete Werner Langen. „So etwas habe ich schon 1998 erlebt, als es um den Misstrauensantrag gegen die Kommission ging“, sagt sein CSU-Fraktionskollege Markus Ferber, „nur dass der Druck auf die Abgeordneten damals von der EU-Kommission ausging“.

 

Nun ist es die eigene Fraktion, die vom bayerischen Parteifreund Manfred Weber geleitet wird. Der hatte nach der Fraktionssitzung am Mittwoch in Straßburg zwar getwittert, er „respektiere das Recht einer Minderheit im Europaparlament, einen Untersuchungsausschuss zu fordern“, nur für die eigenen Parteifreunde gilt dies offenbar nicht. Auf ebenjener Sitzung soll Weber Fraktionskreisen zufolge mit „Konsequenzen“ gedroht haben. Was das konkret heißt, erfuhren die Abgeordneten im Anschluss: „keine Mitgliedschaft im Untersuchungsausschuss, keine Redezeiten im Plenum und keine Berichte“. Wer nicht für das ganze Parlament bestimmte Berichte zu Gesetzesvorhaben betreut, kann sich nicht profilieren. „Mich beeindruckt das nicht“, sagt ein Mitglied der Fraktion, „andere schon.“

Hauen und Stechen hinter den Kulissen

Die Erpressungsvorwürfe ließen sich als parteiinterne Querelen abtun, wenn daran nicht der ganze U-Ausschuss hinge. Der kommt zustande, wenn ein Viertel aller Abgeordneten ihn beantragt. 188 Parlamentarier sind demnach nötig, sechs mehr sind es Stand jetzt. Ohne die 20 EVP-Abgeordneten, von denen 16 CDU oder CSU angehören, gäbe es also keinen Ausschuss. Kritisch sehen seine Befürworter deshalb, dass die Runde der Fraktionschefs am Donnerstag nicht wie erwartet den entsprechenden Beschluss fasste, sondern auf 5. Februar vertagte. Erst soll geklärt werden, ob das Mandat des Ausschusses mit den EU-Verträgen und der Geschäftsordnung des Parlaments kompatibel ist und alle 194 Unterschriften authentisch sind. Die Verzögerung diene dazu, schreibt ein EVP-Fraktionsmitglied in einer E-Mail, „um solche Manöver zu ermöglichen“. Es gebe „hinter den Kulissen gerade ein richtiges Hauen und Stechen“.

Zuerst war vereinbart, die milliardenschweren Steuervergünstigungen für Konzerne im Wirtschaftsausschuss aufzuklären. Dort ist ein Initiativbericht geplant, der der EU-Kommission gesetzgeberische Konsequenzen nahelegen soll. Mit der Vorgehensweise ist etwa der SPD-Abgeordnete Udo Bullmann weiter einverstanden, da ein solcher Bericht „schneller zum Ziel eines gerechteren Steuersystems führt als ein rückwärtsgewandter, relativ schwacher Untersuchungsausschuss“.

Juncker soll mit Rücktritt gedroht haben

Die 16 Unionsabgeordneten dagegen änderten ihre Meinung, als sie die Reisepläne des Ausschusses sahen. So ist am 9. Februar eine sechseinhalbstündige Aufklärungsfahrt nach Luxemburg geplant, wovon zwei Stunden für ein Mittagessen und eine Pressekonferenz und nur viereinhalb Stunden für die investigative Arbeit vorgesehen sind. „Nur ein U-Ausschuss mit dem Recht, Zeugen vorzuladen, kann wirklich Licht ins Dunkel bringen“, glaubt der Abgeordnete Langen seither. Er betont jedoch, dies solle, da neben Luxemburg auch die Niederlande, Irland und weitere EU-Staaten betroffen seien, „kein Juncker-Tribunal“ werden.

Das ist auch Webers Sorge – und eventuell auch von Juncker selbst. Der habe in der Fraktionschef-Runde vor Weihnachten „mit Rücktritt gedroht“, falls es zu einem U-Ausschuss käme, behauptet ein EVP-Mitglied. Junckers Sprecherin weist das weit von sich. „Herr Juncker wird natürlich mit dem Europaparlament kooperieren, sollte es zu einem Untersuchungsausschuss kommen“, so die Sprecherin: „Die Bekämpfung der Steuerhinterziehung ist erklärtes Ziel der Juncker-Kommission.“