Der nun eingesetzte Untersuchungsausschuss kann einen Beitrag zur Aufklärung des absehbar teuren Mautdebakels leisten. Politische Konsequenzen müssten andere ziehen – wahrscheinlich ist das aber nicht, kommentiert unser Berliner Korrespondent Christopher Ziedler.

Berlin - Eines muss man Andreas Scheuer lassen: Kommunikativ macht dem früheren CSU-Generalsekretär kaum jemand etwas vor. Lange bevor die Fraktionen der Grünen, Liberalen und Linken am frühen Dienstagabend im Berliner Reichstagsgebäude gemeinsam die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur gescheiterten Pkw-Maut verkündeten, kam aus dem „Neuigkeitenzimmer“ des Bundesverkehrsministeriums bereits die Einladung zu Scheuers Stellungnahme. Der Bayer setzte vorneweg den Ton, würdigte den Ausschuss, der seine Arbeit unter die Lupe nehmen wird, als „Chance zur Versachlichung“ der Debatte. Im Übrigen habe er dem Bundestag bereits „tausende Seiten“ von Akten zur Verfügung gestellt, „zu allen Gegenständen schon Auskunft gegeben“ und werde das aus Respekt vor dem Parlament natürlich gerne wieder tun.

 

Scheuer in der Defensive

Die offensive Medienstrategie ändert nichts daran, dass Andreas Scheuer in der Defensive ist. Es bleiben viele offene Fragen, die wichtigste ist die nach möglichen regierungsinternen Bedenken gegenüber einem frühzeitigen Abschluss der Mautverträge. Bisher anonyme Quellen lassen etwas in dieser Art vermuten. „Wir wissen, dass es unter den Beamten große Bedenken gab“, sagt der FDP-Verkehrspolitiker Christian Jung. Die Opposition wird nun Vertraute Scheuers und Mitarbeiter aus dem Verkehrsministerium vorladen und wissen wollen, ob sich der Chef über juristische Risikoanalysen hinwegsetzte und eventuell nicht auf das höchstrichterliche EU-Urteil warten wollte, um das CSU-Prestigeprojekt voranzutreiben. Sollte tatsächlich derart leichtfertig Steuergeld in einer mutmaßlich dreistelligen Millionenhöhe verzockt worden sein, müsste das politische Konsequenzen nach sich ziehen.

Mautdebakel kam der Bundesrepublik teuer zu stehen

Es zeugt von wenig politischem Instinkt, wenn Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus auf die entsprechende Frage hin dem Minister aus den eigenen Reihen gleich vorab einen Persilschein ausstellt („Der Stuhl von Herrn Scheuer, der wackelt natürlich nicht“) und damit quasi das koalitionsbedingte Mehrheitsvotum im Untersuchungsausschuss vorwegnimmt. Nicht nur der Opposition sollte daran gelegen sein, das Mautdebakel grundlegend aufzuarbeiten, das die Bundesrepublik nicht nur finanziell teuer zu stehen kommt, sondern sie auch viel zu lange Jahre politisch beschäftigt und von wichtigen Vorhaben für eine zukunftsweisende Verkehrspolitik abgelenkt hat. Eine Bestandsgarantie für den amtierenden Ressortchef ist angesichts einer solchen Ausgangslage fehl am Platz.

Kaum politische Verantwortung trotz U-Ausschuss

Leider hat es sich zu einer unschönen Tradition entwickelt, dass Untersuchungsausschüsse des Bundestages zwar durchaus zu gesetzgeberischen Änderungen führen, weil aus Fehlern der Vergangenheit gelernt werden kann – politisch zur Verantwortung gezogen worden ist aber schon lange niemand mehr.

In der vergangenen Wahlperiode beispielsweise wurden die Vorwürfe der Opposition im U-Ausschuss zur Abgasaffäre, wonach die Bundesregierung sehr viel früher über Manipulationen Bescheid wusste als angegeben, von der Koalitionsmehrheit ins Leere laufen gelassen. Das gilt nun vermutlich auch für Ursula von der Leyen, die dem Verteidigungsausschuss wegen ihrer Berateraffäre Rede und Antwort stehen musste, mittlerweile aber als designierte EU-Kommissionschefin nach Brüssel entschwunden ist. Und auch die parlamentarischen Ermittler zum „Breitscheidplatz“, die das mutmaßliche Behördenversagen im Vorfeld des Berliner Terroranschlags kurz vor Weihnachten 2016 untersuchen, dürfen nicht mehr damit rechnen, dass jemand dafür die Verantwortung übernimmt. Es sollte nicht so sein, aber es spricht viel dafür, dass es im Fall Scheuer nicht anders laufen wird.